Erfahrungsbericht Frankreich
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- Frankreich
- Träger
- Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.
- Freiwillige/r
- Jonas Stumpf
Les allagouttes
Die Motivation für mein FSJ im Ausland war die Möglichkeit ins Ausland gehen zu können, dabei die Sprache, in meinem Fall Französisch zu lernen und mit Hilfe des FSJ Status anstelle des Zivildienstes kein Jahr zu verlieren. An welchem Ort in Frankreich oder aber in Kanada war mir eigentlich nicht so wichtig, jedoch brachten mich letztendlich persönliche Gründe dazu mich für die Einrichtung in Orbey zu entscheiden. Von Freiburg aus fährt man eine Stunde und für mich war das im Nachhinein die perfekte Lösung, da ich trotz Auslandsaufenthalt die Möglichkeit hatte, regelmäßig nach Hause zu fahren. Ich erhielt auf meine Bewerbungen hin von zwei Einrichtungen aus Orbey positive Rückmeldung. Ich entschied mich für les allagouttes, weil mir die Arbeit mit Kindern als interessanter erschien als die mit Erwachsenen. Auch dies stellte sich als gute Entscheidung heraus, denn in die Welt dieser Kinder, die fast nur aus Spielen besteht, hatte ich mich sehr schnell eingefunden.
Les allagouttes ist eine Einrichtung für geistig behinderte Kinder und Jugendliche, die gleichzeitig aber auch als Heim fungiert für Kinder mit schwerem sozialen Hintergrund. Sie befindet sich in einer kleinen Häuseransammlung, die ungefähr drei Kilometer abgelegen von Orbey in den Vogesen liegt. Das kleine Dorf besteht aus drei größeren Häusern, in denen die Kinder bzw. Jugendlichen leben, den Häusern der Erzieher mit Familie und verschiedenen Ateliers. Ein weiteres Haus, das gleichzeitig auch eine Farm ist, liegt höher in den Bergen ca. 15 Minuten mit dem Auto entfernt. Die Kinder sind nach ihrem Alter auf die Häuser aufgeteilt. In dem Haus, in dem ich gearbeitet habe und auch meine Wohnung hatte, leben die jüngsten zwischen 5 und 15 Jahren. Die ältesten, die in den anderen Häusern leben sind ein wenig älter als 20 Jahre. Die Kinder, die Eltern haben (die sich um ihre Kinder kümmern) gehen jedes zweite Wochenende nach Hause und verbringen auch die Ferien nicht auf les allagouttes. Für die anderen ersetzt die Einrichtung das Zuhause. Die Lage von les allagouttes würde ich auf jeden Fall als Pluspunkt sehen, da man, wenn man nicht gerade das Stadtleben liebt, sehr viel zeit in der Natur verbringen kann, die dort seit den Weltkriegen größtenteils unberührt geblieben ist. Teilweise ist das Leben in der Einrichtung schon ein wenig zu abgeschnitten und wenn einem nicht das große Glück zuteil wird, wie mir, der mit fünf bis sieben anderen super coolen Jungs und Mädels aus Deutschland und Dänemark ( von denen drei ein Auto dabei hatten ) das Jahr dort verbringen durfte, kann ich mir vorstellen, daß es teilweise ein wenig langweilig und eintönig werden kann neben der Arbeit. Normalerweise arbeiten pro Haus jeweils zwei Zivis, ein Junge und ein Mädel, die sich auch eine Wohnung im gleichem Haus teilen. Die Wohnungen sind eigentlich alle recht angenehm, wobei es hier Unterschiede in Größe und Komfort gibt. Man muß sich allerdings im Klaren darüber sein, daß man trotz eigener Wohnung immer mit den Kindern lebt. Der Lärmpegel ist während des Tages relativ hoch und man ist gezwungen sich, auch wenn man frei hat, ein wenig an den Tagesverlauf des Hauses anzupassen. Sei es wenn man morgens geweckt wird von lauten Erziehern oder Kindern und auch abends sollte man Rücksicht nehmen wenn die Kinder schlafen. Als ich mich aber daran gewöhnt hatte, ging es eigentlich ganz gut und ich hielt zur gleichen Zeit wie die Kinder meinen Mittagsschlaf. Neben den stagiaires arbeiten zwischen 10 bis 15 Erzieher pro Haus. Zusätzlich hat jedes Haus noch einen responsable. Dieser ist auch der Ansprechpartner für die stagiaires. Hier will ich erwähnen, daß die Einrichtung ohne die stagiares ( wir waren teilweise bis zu 12 ) nicht richtig funktionieren würde. Wenn man sich unrecht behandelt fühlt, kann man sich ruhig daran erinnern, daß man für fast umsonst die gleiche Arbeit verrichtet wie ein Erzieher und dies auch den Leuten vor Ort klarmachen. Ich glaube, daß die das manchmal vergessen und in den stagiaires das Mädchen für alles sehen. In der Einrichtung arbeiten außerdem die Sekretärinnen, die Direktorin, zwei Hausmeister, vier Köchinnen, Putzpersonal, sowie die zuständigen Leute für die Ateliers . Je nach Haus gehen die Kinder tagsüber in verschiedene Ateliers (alle in der Einrichtung). Dort wird im Garten, in der Bäckerei, auf kleineren Baustellen, mit Ton, Holz oder an Webrahmen gearbeitet. Obwohl es eine anthroposophische Einrichtung ist, kann man Steiners Theorien, wenn man will, ziemlich gut aus dem Weg gehen. Wir hatten zwar die Möglichkeit uns mit der Anthroposophie in kleinen Gesprächsgruppen auseinander zu setzen, doch ich kann nicht sagen, daß mir meine kritische Haltung diesbezüglich das Jahr schwer gemacht hat. Natürlich gibt es auch dort einige Ultras, aber die meisten sind zumindest mit einem Bein auf dem Boden geblieben. Und so finde ich daß die Einrichtung in den Vogesen, abgeschnitten und mitten in der Natur für die meisten behinderten Kinder ein perfekter Ort ist. Der Wald, die Spielmöglichkeiten direkt an den Häusern und dazu die Atmosphäre, die nur selten an ein Heim oder eine Anstalt erinnern, führten dazu, daß ich das Gefühl hatte, daß die Kinder wirklich glücklich waren.
Jeder stagiaire arbeitet 37 Stunden in der Woche, hat dabei zwei feste freie Tage und relativ viele Ferien ( Herbst, Weihnachten, Winter, Ostern, Pfingsten und Sommerferien). Einmal muß jeder stagiaire während den Ferien arbeiten, hat dann aber danach einige Tage frei. Ich erhielt von der Einrichtung 60 ⬠im Monat und 20 ⬠Telefongeld. Ich hatte aber dafür kost und Logis frei. Beim Essen gab es die Möglichkeit, wenn ich nicht gerade während meiner Arbeit mit den Kindern gegessen habe, mir eine Mahlzeit in der Küche zu bestellen. Das Essen ist insgesamt sehr gesund (Biofrischprodukte) und auf der Suche nach einem guten Steak muß man entweder jagen gehen oder sich zum nächsten Supermarkt durchschlagen. Die Arbeit eines Erziehers bzw. stagiaires verteilt sich auf den ganzen Tag. Sie beginnt in meinem Haus morgens mit dem lever um 7.30 Uhr bis 10 Uhr ( unterschiedlich von Haus zu Haus). Hier weckt man die 15 Kinder, hilft ihnen sich anzuziehen, frühstückt anschließend mit ihnen, und begleitet sie nach dem Morgenkreis in die schule. Die Klassen beginnen um halb zehn und wenn die Kinder schließlich dort abgeliefert sind, gibt es noch kleinere Arbeiten zu erledigen, wie aufräumen, Wäsche, o.ä.. Ein Lehrer ist normalerweise für 7-8 Kinder verantwortlich und ich hatte das Glück, daß unser Haus in diesem Jahr so gut besetzt war, daß ich in einer Klasse den Hilfslehrer spielen durfte. Das hat mir beim Erlernen der Sprache enorm weitergeholfen, da auch wenn die Kinder aufgrund ihrer Behinderung sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachten, im Unterricht Fächer wie Geschichte, Mathematik und Französisch durchgenommen worden sind. Ich kann jedem empfehlen sich auf jeden Fall mal einen Schulvormittag mitzuerleben, da dort die Kinder zum Teil ganz anders sind, als im Internatsleben. Die Schule endet um 11.30 Uhr und damit beginnt die zweite Arbeitsphase. Bis zum Mittagessen um 12.00 Uhr spielen die Kinder und sind relativ unkompliziert. Doch ab dem Essen geht es auf die Mittagsruhe zu und bis dann die Kinder um 13.15 Uhr in ihren Zimmern bis um 14.30 Uhr ihre Siesta verbringen, wird so mancher Kampf geschlagen. Eine typische Aufgabe für die stagiaires ist während dieser zeit die Garde Siesta. D.h. man ist dafür verantwortlich, daß die Kinder ruhig sind bzw. schlafen. Ich fand das immer ziemlich nervenaufreibend, da die Kinder, die schlafen sollten selten schlafen wollten und die, die ruhig sein sollten dies genauso selten taten bzw. nicht mal in ihren Zimmer blieben. Den Nachmittag verbringt ein Teil der Kinder in den Ateliers, die jüngsten bleiben im Haus und werden von 2-4 Erziehern oder stagiaires betreut. Von 17.00 Uhr bis 20.00 Uhr klingt dann der Tag aus mit dem Abendessen, kleineren Spielen und den Vorbereitungen zum schlafen gehen. Während des gesamten Tages ist der Abend meistens die angenehmste Arbeit. die Kinder sind nicht mehr so aufgedreht und falls sie es doch sein sollten, schickt man sie einfach vor dem Schlafen noch mal nach draußen. Ein Erzieher oder auch ein stagiaire ( man wird gefragt ob man will) verbringt auch die nacht im Haus und macht die Garde nuit. Es steht einem dabei ein kleines Zimmer zur Verfügung, in dem man auch schlafen kann. Wenn die Kinder ruhig sind kann das ganz ohne Streß ablaufen, aber besonders während meiner ersten Garde nuits war dies nicht der Fall. Falls man am nächsten Tag auch noch das lever arbeiten muß, ist das dann ziemlich anstrengend, da ich auf nie einen richtig tiefen Schlaf gefunden habe. Dieser Tagesrythmus wird unter der Woche beibehalten. Am Wochenende findet kein Unterricht statt und man verbringt den Tag mit verschiedenen Aktivitäten wie Schwimmbad, Wanderungen usw.. Unter der Woche arbeitete ich selten einen ganzen Tag. Die 37 Stunden werden auf die verschiedenen Tagesabschnitte verteilt. Am Wochenende und an Feiertagen arbeitet jedoch immer eine feste equipe den ganzen Tag, was auch sehr angenehm ist für die Kinder. Der gesamte Jahresverlauf wird von den vier Kardinalsfesten eingerahmt. Das erste Fest sannt Michael ist gleich im September und basiert auf der Legende, in der Sankt Georg gegen den Drachen kämpft. Ich persönlich fand diese Feier sehr schön, da die Kinder als Ritter verkleidet durch den Wald zogen, Hindernisse zu überwinden hatten und am Ende die Prinzessin vor dem Drachen retteten. Weihnachten ist das zweite größere Fest ( Sankt Martin wird ebenfalls, aber in einem kleineren Rahmen gefeiert) an dem wie auch an sannt Michael die Familien der Erzieher teilnehmen. Mein Lieblingsfest war Karneval, jedoch zählte es nicht zu den Kardinalsfeiern. Den ganzen Tag über herrscht Narrenfreiheit und nach vielen Streichen, Chips und Cola zum Frühstück und vielem mehr, gipfelt die Stimmung abends in einer Riesenparty. die ganze Einrichtung versammelt sich in einem großen Saal und ich muß zugeben, daß das eine der lustigsten Feiern gewesen ist, an denen ich teilgenommen habe. Insgesamt waren es 60 behinderte Kinder und Jugendliche, die bei egal welchem Lied wie verrückt getanzt haben und dann um 0.00 Uhr todmüde ins Bett getragen werden mußten. Es folgte als drittes Kardinalsfest Ostern, das jedoch im Vergleich zu den anderen eher in einem kleineren Rahmen ablief. Das Jahr wir abgerundet mit dem Johannisfest, an dem der Sommer willkommen geheißen wird. Nur bei den Deutschen war in diesem Jahr die Stimmung ein wenig gedrückt, da an dem Abend das deutsche Team unglücklich bei der EM ausschied. Die Franzosen, die dann einen Tag später ausschieden, feierten an diesem Abend noch ausgelassen um die Feuer. Insgesamt gesehen war die Arbeit mit den Kindern schon anstrengend, doch konnte ich mich besonders während den Spielen immer wieder entspannen und wenn man bedenkt, daß die 37 stunden schon an 3 tagen abgearbeitet werden können, dann überarbeitet man sich nicht und hat viel freie zeit.
In dieser freien Zeit bieten sich besonders draußen viele Möglichkeiten um der Langweile aus dem Weg zu gehen. Saisonabhängig selbstverständlich. Da in diesem Jahr alle stagiaires sehr sportlich waren, war ich auch selten alleine wenn ich Joggern gegangen bin. Zum Joggern eignet sich die Gegend hervorragend. Zu Beginn waren die Berge noch anstrengend, doch mit jedem Anstieg ging es besser und am Ende war meine Kondition so gut wie noch nie. Dabei hilft natürlich auch die gesunde Ernährung. Während der warmen Zeit gingen wir also Joggern, schwammen in den Seen, spielten Volleyball und verbrachten viele Abende unter dem Sternenhimmel. Im Winter waren wir fast jede freie Minute auf der Piste. Das Skigebiet liegt ca. 15 Minuten entfernt. Abfahrtski ist zwar wegen den wenigen Liften und den kurzen Pisten nicht perfekt, jedoch gibt es super Langlaufsloipen und auch das Schlittenfahrten mitten in der Nacht ist zu empfehlen. Wenn ich mal nicht mit Sport beschäftigt war, war die freie Zeit meistens sehr ruhig. Mit lesen, Vokabeln lernen o.ä. verbrachte ich den Rest meiner Freizeit. Für ein Jahr hat mich die viele ruhige Zeit in der Natur nicht gestört. Man konnte sehr gut zur Ruhe kommen und auch jeder meiner Freunde, die mich besucht haben, waren begeistert von der Gegend. Sie ist nicht umsonst ein besonders von den Deutschen beliebtes Touristengebiet. Man findet dort aber kein high-life oder großes Stadtleben. Die nächste Stadt ist Colmar, in der aber kein Nachtleben stattfindet. Es gibt aber manchmal Konzerte und auch das Kino hat mir beim Französischlernen geholfen. Um richtig wegzugehen mussten wir entweder bis Freiburg oder Straßburg fahren. Jedoch nur mit Auto, da hinter Colmar kein oder kaum Busverkehr existiert.
Mir war schon vor diesem Jahr klar, dass ich nie in diesem Berufsfeld arbeiten werde. Ich wollte aber dieses Jahr nutzen, um auch mal etwas zu machen, was ich vielleicht sonst nie getan hätte. In diesem Sinne konnte ich auf jeden Fall wertvolle Erfahrungen sammeln, denn auch wenn ich wahrscheinlich nie wieder als Erzieher tätig sein werde, sehe ich doch jetzt behinderte Menschen mit anderen Augen und hatte auch Spaß am Zusammenleben mit ihnen. Die Sprache perfekt zu erlernen ist mir leider nicht gelungen ( dazu hatte ich zu wenig Kontakt mit Franzosen außerhalb der Arbeit, und die deutschen stagiaires waren ebenfalls ein Hindernis), jedoch habe eine gute Grundlage geschaffen um dies vielleicht noch zu tun. Neben der Sprache nehme ich auf jeden Fall die neuen Freundschaften mit den deutschen und dänischen stagiaires als Gewinn mit nach Hause. Auch wenn wir relativ verstreut wohnen, haben wir es geschafft uns schon mehrmals wieder zu sehen. Nächster Treffpunkt ist bei einem Mädel in München zum Oktoberfest. Wie ich vorher schon erwähnt habe, hat mir diese Gruppe enorm geholfen ein schönes Jahr zu verbringen. Der Ärger den man manchmal hatte mit dem responsable oder den Erziehern, hatte deshalb nicht so viel Gewicht. Doch muß ich hier sagen, dass z.B. im Jahr vor mir, in dem sich die stagiaires nicht so gut untereinander verstanden haben, mehrere das Jahr abgebrochen haben. Insgesamt gesehen bin froh dieses Jahr in den Vogesen verbracht zu haben und da wertvolle Dinge, die daheim geblieben sind, mir erhalten blieben, kehre ich auch glücklich wieder zurück.
Les allagouttes ist eine Einrichtung für geistig behinderte Kinder und Jugendliche, die gleichzeitig aber auch als Heim fungiert für Kinder mit schwerem sozialen Hintergrund. Sie befindet sich in einer kleinen Häuseransammlung, die ungefähr drei Kilometer abgelegen von Orbey in den Vogesen liegt. Das kleine Dorf besteht aus drei größeren Häusern, in denen die Kinder bzw. Jugendlichen leben, den Häusern der Erzieher mit Familie und verschiedenen Ateliers. Ein weiteres Haus, das gleichzeitig auch eine Farm ist, liegt höher in den Bergen ca. 15 Minuten mit dem Auto entfernt. Die Kinder sind nach ihrem Alter auf die Häuser aufgeteilt. In dem Haus, in dem ich gearbeitet habe und auch meine Wohnung hatte, leben die jüngsten zwischen 5 und 15 Jahren. Die ältesten, die in den anderen Häusern leben sind ein wenig älter als 20 Jahre. Die Kinder, die Eltern haben (die sich um ihre Kinder kümmern) gehen jedes zweite Wochenende nach Hause und verbringen auch die Ferien nicht auf les allagouttes. Für die anderen ersetzt die Einrichtung das Zuhause. Die Lage von les allagouttes würde ich auf jeden Fall als Pluspunkt sehen, da man, wenn man nicht gerade das Stadtleben liebt, sehr viel zeit in der Natur verbringen kann, die dort seit den Weltkriegen größtenteils unberührt geblieben ist. Teilweise ist das Leben in der Einrichtung schon ein wenig zu abgeschnitten und wenn einem nicht das große Glück zuteil wird, wie mir, der mit fünf bis sieben anderen super coolen Jungs und Mädels aus Deutschland und Dänemark ( von denen drei ein Auto dabei hatten ) das Jahr dort verbringen durfte, kann ich mir vorstellen, daß es teilweise ein wenig langweilig und eintönig werden kann neben der Arbeit. Normalerweise arbeiten pro Haus jeweils zwei Zivis, ein Junge und ein Mädel, die sich auch eine Wohnung im gleichem Haus teilen. Die Wohnungen sind eigentlich alle recht angenehm, wobei es hier Unterschiede in Größe und Komfort gibt. Man muß sich allerdings im Klaren darüber sein, daß man trotz eigener Wohnung immer mit den Kindern lebt. Der Lärmpegel ist während des Tages relativ hoch und man ist gezwungen sich, auch wenn man frei hat, ein wenig an den Tagesverlauf des Hauses anzupassen. Sei es wenn man morgens geweckt wird von lauten Erziehern oder Kindern und auch abends sollte man Rücksicht nehmen wenn die Kinder schlafen. Als ich mich aber daran gewöhnt hatte, ging es eigentlich ganz gut und ich hielt zur gleichen Zeit wie die Kinder meinen Mittagsschlaf. Neben den stagiaires arbeiten zwischen 10 bis 15 Erzieher pro Haus. Zusätzlich hat jedes Haus noch einen responsable. Dieser ist auch der Ansprechpartner für die stagiaires. Hier will ich erwähnen, daß die Einrichtung ohne die stagiares ( wir waren teilweise bis zu 12 ) nicht richtig funktionieren würde. Wenn man sich unrecht behandelt fühlt, kann man sich ruhig daran erinnern, daß man für fast umsonst die gleiche Arbeit verrichtet wie ein Erzieher und dies auch den Leuten vor Ort klarmachen. Ich glaube, daß die das manchmal vergessen und in den stagiaires das Mädchen für alles sehen. In der Einrichtung arbeiten außerdem die Sekretärinnen, die Direktorin, zwei Hausmeister, vier Köchinnen, Putzpersonal, sowie die zuständigen Leute für die Ateliers . Je nach Haus gehen die Kinder tagsüber in verschiedene Ateliers (alle in der Einrichtung). Dort wird im Garten, in der Bäckerei, auf kleineren Baustellen, mit Ton, Holz oder an Webrahmen gearbeitet. Obwohl es eine anthroposophische Einrichtung ist, kann man Steiners Theorien, wenn man will, ziemlich gut aus dem Weg gehen. Wir hatten zwar die Möglichkeit uns mit der Anthroposophie in kleinen Gesprächsgruppen auseinander zu setzen, doch ich kann nicht sagen, daß mir meine kritische Haltung diesbezüglich das Jahr schwer gemacht hat. Natürlich gibt es auch dort einige Ultras, aber die meisten sind zumindest mit einem Bein auf dem Boden geblieben. Und so finde ich daß die Einrichtung in den Vogesen, abgeschnitten und mitten in der Natur für die meisten behinderten Kinder ein perfekter Ort ist. Der Wald, die Spielmöglichkeiten direkt an den Häusern und dazu die Atmosphäre, die nur selten an ein Heim oder eine Anstalt erinnern, führten dazu, daß ich das Gefühl hatte, daß die Kinder wirklich glücklich waren.
Jeder stagiaire arbeitet 37 Stunden in der Woche, hat dabei zwei feste freie Tage und relativ viele Ferien ( Herbst, Weihnachten, Winter, Ostern, Pfingsten und Sommerferien). Einmal muß jeder stagiaire während den Ferien arbeiten, hat dann aber danach einige Tage frei. Ich erhielt von der Einrichtung 60 ⬠im Monat und 20 ⬠Telefongeld. Ich hatte aber dafür kost und Logis frei. Beim Essen gab es die Möglichkeit, wenn ich nicht gerade während meiner Arbeit mit den Kindern gegessen habe, mir eine Mahlzeit in der Küche zu bestellen. Das Essen ist insgesamt sehr gesund (Biofrischprodukte) und auf der Suche nach einem guten Steak muß man entweder jagen gehen oder sich zum nächsten Supermarkt durchschlagen. Die Arbeit eines Erziehers bzw. stagiaires verteilt sich auf den ganzen Tag. Sie beginnt in meinem Haus morgens mit dem lever um 7.30 Uhr bis 10 Uhr ( unterschiedlich von Haus zu Haus). Hier weckt man die 15 Kinder, hilft ihnen sich anzuziehen, frühstückt anschließend mit ihnen, und begleitet sie nach dem Morgenkreis in die schule. Die Klassen beginnen um halb zehn und wenn die Kinder schließlich dort abgeliefert sind, gibt es noch kleinere Arbeiten zu erledigen, wie aufräumen, Wäsche, o.ä.. Ein Lehrer ist normalerweise für 7-8 Kinder verantwortlich und ich hatte das Glück, daß unser Haus in diesem Jahr so gut besetzt war, daß ich in einer Klasse den Hilfslehrer spielen durfte. Das hat mir beim Erlernen der Sprache enorm weitergeholfen, da auch wenn die Kinder aufgrund ihrer Behinderung sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachten, im Unterricht Fächer wie Geschichte, Mathematik und Französisch durchgenommen worden sind. Ich kann jedem empfehlen sich auf jeden Fall mal einen Schulvormittag mitzuerleben, da dort die Kinder zum Teil ganz anders sind, als im Internatsleben. Die Schule endet um 11.30 Uhr und damit beginnt die zweite Arbeitsphase. Bis zum Mittagessen um 12.00 Uhr spielen die Kinder und sind relativ unkompliziert. Doch ab dem Essen geht es auf die Mittagsruhe zu und bis dann die Kinder um 13.15 Uhr in ihren Zimmern bis um 14.30 Uhr ihre Siesta verbringen, wird so mancher Kampf geschlagen. Eine typische Aufgabe für die stagiaires ist während dieser zeit die Garde Siesta. D.h. man ist dafür verantwortlich, daß die Kinder ruhig sind bzw. schlafen. Ich fand das immer ziemlich nervenaufreibend, da die Kinder, die schlafen sollten selten schlafen wollten und die, die ruhig sein sollten dies genauso selten taten bzw. nicht mal in ihren Zimmer blieben. Den Nachmittag verbringt ein Teil der Kinder in den Ateliers, die jüngsten bleiben im Haus und werden von 2-4 Erziehern oder stagiaires betreut. Von 17.00 Uhr bis 20.00 Uhr klingt dann der Tag aus mit dem Abendessen, kleineren Spielen und den Vorbereitungen zum schlafen gehen. Während des gesamten Tages ist der Abend meistens die angenehmste Arbeit. die Kinder sind nicht mehr so aufgedreht und falls sie es doch sein sollten, schickt man sie einfach vor dem Schlafen noch mal nach draußen. Ein Erzieher oder auch ein stagiaire ( man wird gefragt ob man will) verbringt auch die nacht im Haus und macht die Garde nuit. Es steht einem dabei ein kleines Zimmer zur Verfügung, in dem man auch schlafen kann. Wenn die Kinder ruhig sind kann das ganz ohne Streß ablaufen, aber besonders während meiner ersten Garde nuits war dies nicht der Fall. Falls man am nächsten Tag auch noch das lever arbeiten muß, ist das dann ziemlich anstrengend, da ich auf nie einen richtig tiefen Schlaf gefunden habe. Dieser Tagesrythmus wird unter der Woche beibehalten. Am Wochenende findet kein Unterricht statt und man verbringt den Tag mit verschiedenen Aktivitäten wie Schwimmbad, Wanderungen usw.. Unter der Woche arbeitete ich selten einen ganzen Tag. Die 37 Stunden werden auf die verschiedenen Tagesabschnitte verteilt. Am Wochenende und an Feiertagen arbeitet jedoch immer eine feste equipe den ganzen Tag, was auch sehr angenehm ist für die Kinder. Der gesamte Jahresverlauf wird von den vier Kardinalsfesten eingerahmt. Das erste Fest sannt Michael ist gleich im September und basiert auf der Legende, in der Sankt Georg gegen den Drachen kämpft. Ich persönlich fand diese Feier sehr schön, da die Kinder als Ritter verkleidet durch den Wald zogen, Hindernisse zu überwinden hatten und am Ende die Prinzessin vor dem Drachen retteten. Weihnachten ist das zweite größere Fest ( Sankt Martin wird ebenfalls, aber in einem kleineren Rahmen gefeiert) an dem wie auch an sannt Michael die Familien der Erzieher teilnehmen. Mein Lieblingsfest war Karneval, jedoch zählte es nicht zu den Kardinalsfeiern. Den ganzen Tag über herrscht Narrenfreiheit und nach vielen Streichen, Chips und Cola zum Frühstück und vielem mehr, gipfelt die Stimmung abends in einer Riesenparty. die ganze Einrichtung versammelt sich in einem großen Saal und ich muß zugeben, daß das eine der lustigsten Feiern gewesen ist, an denen ich teilgenommen habe. Insgesamt waren es 60 behinderte Kinder und Jugendliche, die bei egal welchem Lied wie verrückt getanzt haben und dann um 0.00 Uhr todmüde ins Bett getragen werden mußten. Es folgte als drittes Kardinalsfest Ostern, das jedoch im Vergleich zu den anderen eher in einem kleineren Rahmen ablief. Das Jahr wir abgerundet mit dem Johannisfest, an dem der Sommer willkommen geheißen wird. Nur bei den Deutschen war in diesem Jahr die Stimmung ein wenig gedrückt, da an dem Abend das deutsche Team unglücklich bei der EM ausschied. Die Franzosen, die dann einen Tag später ausschieden, feierten an diesem Abend noch ausgelassen um die Feuer. Insgesamt gesehen war die Arbeit mit den Kindern schon anstrengend, doch konnte ich mich besonders während den Spielen immer wieder entspannen und wenn man bedenkt, daß die 37 stunden schon an 3 tagen abgearbeitet werden können, dann überarbeitet man sich nicht und hat viel freie zeit.
In dieser freien Zeit bieten sich besonders draußen viele Möglichkeiten um der Langweile aus dem Weg zu gehen. Saisonabhängig selbstverständlich. Da in diesem Jahr alle stagiaires sehr sportlich waren, war ich auch selten alleine wenn ich Joggern gegangen bin. Zum Joggern eignet sich die Gegend hervorragend. Zu Beginn waren die Berge noch anstrengend, doch mit jedem Anstieg ging es besser und am Ende war meine Kondition so gut wie noch nie. Dabei hilft natürlich auch die gesunde Ernährung. Während der warmen Zeit gingen wir also Joggern, schwammen in den Seen, spielten Volleyball und verbrachten viele Abende unter dem Sternenhimmel. Im Winter waren wir fast jede freie Minute auf der Piste. Das Skigebiet liegt ca. 15 Minuten entfernt. Abfahrtski ist zwar wegen den wenigen Liften und den kurzen Pisten nicht perfekt, jedoch gibt es super Langlaufsloipen und auch das Schlittenfahrten mitten in der Nacht ist zu empfehlen. Wenn ich mal nicht mit Sport beschäftigt war, war die freie Zeit meistens sehr ruhig. Mit lesen, Vokabeln lernen o.ä. verbrachte ich den Rest meiner Freizeit. Für ein Jahr hat mich die viele ruhige Zeit in der Natur nicht gestört. Man konnte sehr gut zur Ruhe kommen und auch jeder meiner Freunde, die mich besucht haben, waren begeistert von der Gegend. Sie ist nicht umsonst ein besonders von den Deutschen beliebtes Touristengebiet. Man findet dort aber kein high-life oder großes Stadtleben. Die nächste Stadt ist Colmar, in der aber kein Nachtleben stattfindet. Es gibt aber manchmal Konzerte und auch das Kino hat mir beim Französischlernen geholfen. Um richtig wegzugehen mussten wir entweder bis Freiburg oder Straßburg fahren. Jedoch nur mit Auto, da hinter Colmar kein oder kaum Busverkehr existiert.
Mir war schon vor diesem Jahr klar, dass ich nie in diesem Berufsfeld arbeiten werde. Ich wollte aber dieses Jahr nutzen, um auch mal etwas zu machen, was ich vielleicht sonst nie getan hätte. In diesem Sinne konnte ich auf jeden Fall wertvolle Erfahrungen sammeln, denn auch wenn ich wahrscheinlich nie wieder als Erzieher tätig sein werde, sehe ich doch jetzt behinderte Menschen mit anderen Augen und hatte auch Spaß am Zusammenleben mit ihnen. Die Sprache perfekt zu erlernen ist mir leider nicht gelungen ( dazu hatte ich zu wenig Kontakt mit Franzosen außerhalb der Arbeit, und die deutschen stagiaires waren ebenfalls ein Hindernis), jedoch habe eine gute Grundlage geschaffen um dies vielleicht noch zu tun. Neben der Sprache nehme ich auf jeden Fall die neuen Freundschaften mit den deutschen und dänischen stagiaires als Gewinn mit nach Hause. Auch wenn wir relativ verstreut wohnen, haben wir es geschafft uns schon mehrmals wieder zu sehen. Nächster Treffpunkt ist bei einem Mädel in München zum Oktoberfest. Wie ich vorher schon erwähnt habe, hat mir diese Gruppe enorm geholfen ein schönes Jahr zu verbringen. Der Ärger den man manchmal hatte mit dem responsable oder den Erziehern, hatte deshalb nicht so viel Gewicht. Doch muß ich hier sagen, dass z.B. im Jahr vor mir, in dem sich die stagiaires nicht so gut untereinander verstanden haben, mehrere das Jahr abgebrochen haben. Insgesamt gesehen bin froh dieses Jahr in den Vogesen verbracht zu haben und da wertvolle Dinge, die daheim geblieben sind, mir erhalten blieben, kehre ich auch glücklich wieder zurück.