Erfahrungsbericht Thailand
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- Thailand
- Träger
- Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
- Freiwillige/r
- Sonya Ouertani
Population and Community Development Association
Ein Jahr entwicklungspolitischer Freiwilligendienst in Thailand
Es dämmert und ich gehe durch die Straßen dieses kleinen Städtchens, an manchen Stellen kann man den Bürgersteig benutzen, aber häufig ist dieser durch kleine Essensstände und dazugehörige Tische belegt. Der Duft von frisch gekochtem Reis und süßen, pikanten oder scharfen Soßen steigt einem in die Nase. Die Zutaten für die frisch gekochten Gerichte hängen und stehen hinter einer Glasscheibe jedes Essensstandes. Fleisch, Nudeln, Gemüse, Kräuter und Gewürze in allen erdenklichen Varianten. Jeder Gast kann individuell entscheiden wie genau sein Gericht zubereitet werden soll. Überall fahren und parken Motorbikes und große Geländewagen. Ein reges Treiben ist erkennbar. Feierabendverkehr mischt sich mit einer Schwüle, die auf Regen hoffen lässt. Jeder ist bestrebt schnell nach Hause zu kommen und vorher etwas zu Essen für den Abend zu besorgen. Zwischen diesen alltäglichen Abläufen finde ich mich wieder. Auch ich habe mich für ein Gericht entschieden, lasse es zubereiten und mache mich vor dem Regen und der Dunkelheit auf den Weg nach Hause.
Diese Zeilen schreibe ich am anderen Ende der Welt in einer kleinen Stadt namens Ban Phai im Nordosten Thailands.
Meine Entsendeorganisation ist die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), ein Zusammenschluss aus dem deutschen Entwicklungsdienst (DED), der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung (Inwent). Sie ist die größte Entsendeorganisation im weltwärts-Programm mit rund 500 Freiwilligen jährlich. Darüber hinaus ist es eine staatliche Organisation und entsendet normalerweise die deutschen Entwicklingshelfer.
Meinen weltwärts-Einsatz verbringe ich bei der Population and Community Development Association (PDA), der größten Nichtregierungsorganisation Thailands in einem Regionalbüro. Sie wurde 1974 durch Mechai Viravaidya gegründet, mit dem Ziel gegen HIV/AIDS vorzugehen und die Geburtenrate in der ärmlichen nordöstlichen Region Thailands zu minimieren, d.h. Familienplanung und Entwicklung der Dorfbevölkerung. Mittlerweile beschäftigt sich die Organisation mit weiteren Problemen der Isaan-Region (Nordosten Thailands), wie z.B. fehlende Bildung, Unterstützung der Bauern durch verschiedene Bewässerungsanlagen, Umweltverschmutzungen etc.
Mein Schwerpunkt in meinem Projektplatz ist sicherlich die administrative Unterstützung des Büros durch meine Englischkenntnisse. Des Weiteren habe ich eine facebook-Seite für das Zentrum erstellt und verfasste monatliche Berichte über die Aktivitäten des Büros. Ansonsten designte ich verschiedene Sachen, wie Flyer, Zertifikate, Plakate etc. Wenn eine ausländische Gruppe zu Besuch war, habe ich die Vorstellung des Zentrums und deren Tätigkeiten übernommen, sowie die Projekte vor Ort erläutert. Bei den meisten Veranstaltungen und Treffen in unseren Projektdörfern war ich ebenfalls dabei, um Fotos zur Datensammlung zu machen und die Projektarbeit kennenzulernen.
Ein besonderes Erlebnis ausserhalb der alltäglichen Projektarbeit war das thailändische Neujahrsfest.
Vom 13.-15. April feierte ich Songkran, das sogenannte Wasserfest und thailändische Neujahr, somit der Höhepunkt des Jahres.
Am Anfang möchte ich einige allgemeine Informationen zu diesem Fest geben, die ich nach Prüfung und Ergänzung Wikipedia entnehme, um dann meine persönlichen Erfahrungen zu schildern.
Songkran ist das traditionelle Neujahrsfest nach dem thailändischen Mondkalender. Es ist heute auf den 13. bis 15. April datiert. Früher hatte es kein festes Datum und fand ursprünglich zur Frühlingstagundnachtgleiche statt, ist dann aber wegen Vernachlässigung der Präzession zum heutigen Termin gewandert.
Am Abend des 12. April werden Häuser und Wohnungen geputzt. Morgens am 13. April begeben sich die Familien in die Tempel und opfern dort die Lieblingspeisen der bereits verstorbenen Angehörigen. Diese werden dann an die Mönche gegeben, die diese stellvertretend entgegen nehmen. Auch Knochen von verstorbenen Verwandten werden in einem kleinen Behälter, einer Art Urne mitgebracht und am Ende der Zeremonie von Mönchen mit geweihtem Wasser übergossen und somit gereinigt. Normalerweise werden diese Knochen zu Hause aufbewahrt. Anschließend werden am Nachmittag die dortigen Buddha-Figuren und der Vorsteher des Tempels gebadet, indem sie mit Wasser begossen werden. In vielen Städten werden dann die Buddha-Statuen in einem Umzug durch die Stadt gefahren oder auch in Einkaufszentren ausgestellt, um anderen Gläubigen die Gelegenheit zu geben, die Statuen ebenfalls mit Wasser zu begießen.
Die rituellen Waschungen haben sich im Laufe der Geschichte dahingehend entwickelt, dass zu Songkran sich alle Personen gegenseitig mit Wasser übergießen. Dieser Brauch, der bereits vor dem eigentlichen Fest beginnt und auch über es hinausgeht, wird vor allem in größeren Städten exzessiv betrieben, auch als unbeteiligter Tourist kann man leicht nass werden. Es entstehen auf den Straßen spontan regelrechte Umzüge von offenen Wagen, auf denen die Feiernden gefüllte Wassertonnen (häufig auch mit Eisblöcken) transportieren, um Wasserpistolen, Eimer und Flaschen immer wieder nachzufüllen. Außerdem wird man mit (Baby-)Puder oder Talcum bestäubt, bzw. im Gesicht damit bemalt.
Da zu Songkran auch exzessiv Alkohol konsumiert wird, kommt es zu einem drastischen Anstieg von Unfällen (insbesondere im Straßenverkehr), bei denen jedes Jahr etwa 30.000 Personen verletzt werden und mehrere hundert Personen zu Tode kommen.
Andere traditionelle Elemente dieser Feiertage:
Junge Leute besuchen Familienmitglieder der älteren Generation, um ihnen Respekt zu erweisen, indem kleine Mengen von Wasser über ihre Hände gegossen werden. Das Wasser wurde vorher mit Jasmin-Blüten versetzt, um es wohlriechend zu machen.
Die Gläubigen tragen kleine Mengen von Sand in die Tempel, um ihn dort im Vorhof zu chedi-artigen Pyramiden aufzuhäufen. Die Sand-Chedis werden oft mit bunten Fähnchen dekoriert. Der Sand soll den Staub wieder an den Ursprungsort zurückbringen, den die Gläubigen im Laufe des Jahres an ihren Schuhen haftend von dort weggetragen haben.
Generell gesehen ist Songkran die Zeit der Säuberung und Erneuerung. Viele Thais unterziehen aus diesem Anlass ihren Wohnungen eine General-Reinigung.
Mein persönliches, thailändisches Neujahrsfest begann bereits am 10. April, da meine Arbeitsstelle an diesem Tag eine kleine Feier für alle MitarbeiterInnen geplant hatte. So versammelten wir uns im Restaurant unseres Zentrums und mein Vorgesetzter, der Direktor der Einrichtung hielt eine kleine Ansprache, in der er allen MitarbeiterInnen natürlich alles Gute für das neue Jahr wünschte, aber auch den Gemeinschaftssinn und die gegenseitige Unterstützung im Arbeitsalltag ansprach, denn in den letzten Monaten wurde der Mindestlohn von 167 Baht (4,17 Euro) auf 233 Baht (5,82 Euro) am Tag erhöht. Diese Lohnerhöhung betrifft die MitarbeiterInnen im Restaurant und ist selbstverständlich ein positives Zeichen der Regierung, stellt aber dennoch eine große Schwierigkeit für unser Office dar, da die Einnahmen natürlich nicht automatisch stiegen, sodass langfristig weniger MitarbeiterInnen beschäftigt werden können. In diesem Sinne ist gegenseitiges Helfen und Unterstützen nun noch notwendiger als zuvor. Um wieder auf das Thema des Neujahrsfestes zurückzukommen. Nach dieser Ansprache setzen sich die ältesten MitarbeiterInnen in eine Reihe und alle restlichen KollegInnen nahmen kleine Becher/Behälter in die Hand, die mit Wasser gefüllt wurden. Hockend bewegte ich mich vor den ältesten MitarbeiterInnen vorwärts und schüttete jedem Mitarbeiter etwas Wasser in die Hand, dieser wiederum goss das Wasser über meine Kopf oder meine Schulter und wünschte mir Etwas für das neue Jahr. Da ich keine genauen Vorstellungen hatte, wie diese Feierlichkeiten weitergehen sollten, wie nass man sein wird und ob alle MitarbeiterInnen wirklich bereit sind diesen Spaß mitzumachen, hieß es abwarten. Ich war gerade beim letzten Kollegen angekommen, der vor mir auf dem Stuhl saß, mittlerweile waren meine Schultern schon vollkommen nass, doch plötzlich traf mich ein Wasserstrahl am Rücken. Jemand hatte eine Wasserpistole ausgepackt und die Schlacht konnte beginnen.
Jeder schnappte sich irgendwelche Gegenstände, die mit Wasser gefüllt werden konnten und übergoss die anderen mit Wasser, dabei wurden ebenfalls Wünsche für das neue Jahr formuliert. Zudem wurde das oben genannte Puder gegenseitig in den Gesichtern verteilt, als Ersatz für Wasser und auch hierbei wünschte man sich gegenseitig alles Gute für die kommenden 12 Monate. Alle machten bei diesem Spiel mit und hatten ihren Spaß. Die Hierarchie, die normalerweise herrschte, war vergessen und die Kinder meiner KollegInnen,meine KollegInnen, mein Vorgestzter und ich waren am Ende vollkommen durchnässt. Der Restaurantchef wurde von den KellnerInnen sogar in ein kleines Wasserbecken, das zu einem Springbrunnen gehört, gesetzt. Schließlich folgte ein nettes Beisammensein. Durch diese frühzeitige Feier, hatte ich eine kleine Vorstellung wie die folgenden Tage ablaufen würden.
Am nächsten Tag wagten wir uns auf die Straße und nach wenigen Metern wurden wir bereits mit Wasser übergossen und mit Puder beschmiert. Eigentlich habe ich mir dies etwas schlimmer vorgestellt, doch die Leute kamen sehr langsam auf einen zu, man wurde ab den Schultern mit Wasser übergossen und erhielt dabei Neujahrswünsche. Eine gewisse Brutalität, Schnelligkeit oder Rücksichtslosigkeit, die ich von Wasserschlachten in Deutschland kenne, waren nicht zu finden. Es war eine sehr freundliche, vorsichtige und nette Atmosphäre, obwohl man sich auch nicht gegen das übergiessen wehren konnte.
Ich wurde eingeladen bei einer Kollegin die oben erwähnten familiären Zeremonien im Tempel mitzuerleben. Am Vormittag begaben wir uns zu dem Tempel des Dorfes, in dem meine Kollegin aufgewachsen ist und ihre Eltern immernoch leben. Alle DorfbewohnerInnen waren gekommen und nach einer einstündigen Gebetszeremonie, die von Mönchen gehalten wurde, gaben die DorfbewohnerInnen das mitgebrachte Essen an die Mönche. Jeder hatte die Lieblingsgerichte der verstorbenen Verwandten gekocht und in einen Henkelmann gepackt. Anschließend wurden die Knochen der bereits Verstorbenen von den Mönchen mit Wasser übergossen. Auch der Ehemann meiner Kollegin zeigte mir stolz die Knochen seiner verstorbenen Mutter, die er in einer Art vergoldeten Urne mitgebracht hatte. Danach begaben wir uns zu den Grabstellen der verstorbenen Verwandten, die sich auch auf dem Tempelgelände befanden, auch die Grabplatten wurden mit Wasser übergossen. In Thailand werden Verstorbene verbrannt, sodass eine Grabstelle meist nur durch eine Platte mit Inschrift in einer Mauer erkennbar ist. Auch besteht die Möglichkeit kleine Vögel in Käfigen zu kaufen und diese in die Freiheit zu entlassen und somit eine gute Tat zu zeigen. Besonders für Kinder ist dies ein toller Spaß. Nach dem Mittagessen, fand eine familiäre Zeremonie statt, indem sich die Eltern meiner Kollegin wieder in einer Reihe aufsetzten. Dann hockte sich die älteste Schwester meiner Kollegin mit ihrem Sohn vor ihre Eltern, wusch ihnen die Füße, schenkte ihnen Geld und goss Wasser in deren Hände, das ihr und ihrem Sohn über die Schultern gegossen wurde. Währenddessen bedankte sich die Tochter bei ihren Eltern und erhielt Neujahrswünsche von ihren Eltern. Es folgte der ältere Bruder meiner Kollegin mit seiner Familie und meine Kollegin als jüngste anwesende Tochter mit ihrem Ehemann und ihren Kindern. Auch ich durfte diese Zeremonie durchführen und auch anwesende Nachbarn bedankten sich bei den Älteren. Abschließend wurde ich als Gast aus Deutschland nochmals von den Ältesten, d.h. den Eltern meiner Kollegin und ihren Tanten mit Wasser übergossen und erhielt Neujahrswünsche. Ich habe diese Zeremonie als sehr emotional, intim und besonders erlebt.
Am letzten Abend der Festtage wurden wir eingeladen mit Freunden auf der Ladefläche eines Pick-ups neben einer Wassertonne zu stehen und durch die Stadt zu fahren. In jeder Stadt/ in jedem Dorf ist zu diesem Zeitpunkt eine bestimmte Straße (meist die Hauptstraße) ausgewiesen, um mit Pickups durchzufahren und die auf der Straße Tanzenden und Stehenden mit Wasser zu bespritzen und bespritzt zu werden. Leider hatten wir wenig Glück mit dem Wetter, sodass man nach einiger Zeit zu frieren begann, da die Kleidung natürlich völlig durchnässt war. Es war sehr interessant auch diesen Teil des Festes einmal mitzuerleben und auch die Menschen in meinem Wohnort waren erfreut eine Ausländerin während dieses Festes in ihrer Heimat und nicht in den großen Städten Bangkok oder Chiang Mai zu erleben. In diesen 3 bis 4 Stunden haben mir gefühlte 500 Menschen etwas Puder ins Gesicht geschmiert und mich nass gespritzt.
Es war ein großer Spaß und zeigte mir eine besondere Seite der thailändische Kultur.
Nun geht mein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst bald zuende. Die ersten Schritte in der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit waren nicht ganz einfach. Doch mittlerweile habe ich mich eingelebt. Ich kenne die Stadt, mein Apartement, meine Nachbarn, meinen Alltag und meine Arbeit.
Täglich erlebe ich besondere Dinge und Momente, die ich nur hier im Nordosten Thailands erleben kann, die meinen Horizont erweitern, mich vor neue Herausforderungen stellen, mich in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung bringen oder einfach nur spannend und aufregend sind.
Es dämmert und ich gehe durch die Straßen dieses kleinen Städtchens, an manchen Stellen kann man den Bürgersteig benutzen, aber häufig ist dieser durch kleine Essensstände und dazugehörige Tische belegt. Der Duft von frisch gekochtem Reis und süßen, pikanten oder scharfen Soßen steigt einem in die Nase. Die Zutaten für die frisch gekochten Gerichte hängen und stehen hinter einer Glasscheibe jedes Essensstandes. Fleisch, Nudeln, Gemüse, Kräuter und Gewürze in allen erdenklichen Varianten. Jeder Gast kann individuell entscheiden wie genau sein Gericht zubereitet werden soll. Überall fahren und parken Motorbikes und große Geländewagen. Ein reges Treiben ist erkennbar. Feierabendverkehr mischt sich mit einer Schwüle, die auf Regen hoffen lässt. Jeder ist bestrebt schnell nach Hause zu kommen und vorher etwas zu Essen für den Abend zu besorgen. Zwischen diesen alltäglichen Abläufen finde ich mich wieder. Auch ich habe mich für ein Gericht entschieden, lasse es zubereiten und mache mich vor dem Regen und der Dunkelheit auf den Weg nach Hause.
Diese Zeilen schreibe ich am anderen Ende der Welt in einer kleinen Stadt namens Ban Phai im Nordosten Thailands.
Meine Entsendeorganisation ist die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), ein Zusammenschluss aus dem deutschen Entwicklungsdienst (DED), der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung (Inwent). Sie ist die größte Entsendeorganisation im weltwärts-Programm mit rund 500 Freiwilligen jährlich. Darüber hinaus ist es eine staatliche Organisation und entsendet normalerweise die deutschen Entwicklingshelfer.
Meinen weltwärts-Einsatz verbringe ich bei der Population and Community Development Association (PDA), der größten Nichtregierungsorganisation Thailands in einem Regionalbüro. Sie wurde 1974 durch Mechai Viravaidya gegründet, mit dem Ziel gegen HIV/AIDS vorzugehen und die Geburtenrate in der ärmlichen nordöstlichen Region Thailands zu minimieren, d.h. Familienplanung und Entwicklung der Dorfbevölkerung. Mittlerweile beschäftigt sich die Organisation mit weiteren Problemen der Isaan-Region (Nordosten Thailands), wie z.B. fehlende Bildung, Unterstützung der Bauern durch verschiedene Bewässerungsanlagen, Umweltverschmutzungen etc.
Mein Schwerpunkt in meinem Projektplatz ist sicherlich die administrative Unterstützung des Büros durch meine Englischkenntnisse. Des Weiteren habe ich eine facebook-Seite für das Zentrum erstellt und verfasste monatliche Berichte über die Aktivitäten des Büros. Ansonsten designte ich verschiedene Sachen, wie Flyer, Zertifikate, Plakate etc. Wenn eine ausländische Gruppe zu Besuch war, habe ich die Vorstellung des Zentrums und deren Tätigkeiten übernommen, sowie die Projekte vor Ort erläutert. Bei den meisten Veranstaltungen und Treffen in unseren Projektdörfern war ich ebenfalls dabei, um Fotos zur Datensammlung zu machen und die Projektarbeit kennenzulernen.
Ein besonderes Erlebnis ausserhalb der alltäglichen Projektarbeit war das thailändische Neujahrsfest.
Vom 13.-15. April feierte ich Songkran, das sogenannte Wasserfest und thailändische Neujahr, somit der Höhepunkt des Jahres.
Am Anfang möchte ich einige allgemeine Informationen zu diesem Fest geben, die ich nach Prüfung und Ergänzung Wikipedia entnehme, um dann meine persönlichen Erfahrungen zu schildern.
Songkran ist das traditionelle Neujahrsfest nach dem thailändischen Mondkalender. Es ist heute auf den 13. bis 15. April datiert. Früher hatte es kein festes Datum und fand ursprünglich zur Frühlingstagundnachtgleiche statt, ist dann aber wegen Vernachlässigung der Präzession zum heutigen Termin gewandert.
Am Abend des 12. April werden Häuser und Wohnungen geputzt. Morgens am 13. April begeben sich die Familien in die Tempel und opfern dort die Lieblingspeisen der bereits verstorbenen Angehörigen. Diese werden dann an die Mönche gegeben, die diese stellvertretend entgegen nehmen. Auch Knochen von verstorbenen Verwandten werden in einem kleinen Behälter, einer Art Urne mitgebracht und am Ende der Zeremonie von Mönchen mit geweihtem Wasser übergossen und somit gereinigt. Normalerweise werden diese Knochen zu Hause aufbewahrt. Anschließend werden am Nachmittag die dortigen Buddha-Figuren und der Vorsteher des Tempels gebadet, indem sie mit Wasser begossen werden. In vielen Städten werden dann die Buddha-Statuen in einem Umzug durch die Stadt gefahren oder auch in Einkaufszentren ausgestellt, um anderen Gläubigen die Gelegenheit zu geben, die Statuen ebenfalls mit Wasser zu begießen.
Die rituellen Waschungen haben sich im Laufe der Geschichte dahingehend entwickelt, dass zu Songkran sich alle Personen gegenseitig mit Wasser übergießen. Dieser Brauch, der bereits vor dem eigentlichen Fest beginnt und auch über es hinausgeht, wird vor allem in größeren Städten exzessiv betrieben, auch als unbeteiligter Tourist kann man leicht nass werden. Es entstehen auf den Straßen spontan regelrechte Umzüge von offenen Wagen, auf denen die Feiernden gefüllte Wassertonnen (häufig auch mit Eisblöcken) transportieren, um Wasserpistolen, Eimer und Flaschen immer wieder nachzufüllen. Außerdem wird man mit (Baby-)Puder oder Talcum bestäubt, bzw. im Gesicht damit bemalt.
Da zu Songkran auch exzessiv Alkohol konsumiert wird, kommt es zu einem drastischen Anstieg von Unfällen (insbesondere im Straßenverkehr), bei denen jedes Jahr etwa 30.000 Personen verletzt werden und mehrere hundert Personen zu Tode kommen.
Andere traditionelle Elemente dieser Feiertage:
Junge Leute besuchen Familienmitglieder der älteren Generation, um ihnen Respekt zu erweisen, indem kleine Mengen von Wasser über ihre Hände gegossen werden. Das Wasser wurde vorher mit Jasmin-Blüten versetzt, um es wohlriechend zu machen.
Die Gläubigen tragen kleine Mengen von Sand in die Tempel, um ihn dort im Vorhof zu chedi-artigen Pyramiden aufzuhäufen. Die Sand-Chedis werden oft mit bunten Fähnchen dekoriert. Der Sand soll den Staub wieder an den Ursprungsort zurückbringen, den die Gläubigen im Laufe des Jahres an ihren Schuhen haftend von dort weggetragen haben.
Generell gesehen ist Songkran die Zeit der Säuberung und Erneuerung. Viele Thais unterziehen aus diesem Anlass ihren Wohnungen eine General-Reinigung.
Mein persönliches, thailändisches Neujahrsfest begann bereits am 10. April, da meine Arbeitsstelle an diesem Tag eine kleine Feier für alle MitarbeiterInnen geplant hatte. So versammelten wir uns im Restaurant unseres Zentrums und mein Vorgesetzter, der Direktor der Einrichtung hielt eine kleine Ansprache, in der er allen MitarbeiterInnen natürlich alles Gute für das neue Jahr wünschte, aber auch den Gemeinschaftssinn und die gegenseitige Unterstützung im Arbeitsalltag ansprach, denn in den letzten Monaten wurde der Mindestlohn von 167 Baht (4,17 Euro) auf 233 Baht (5,82 Euro) am Tag erhöht. Diese Lohnerhöhung betrifft die MitarbeiterInnen im Restaurant und ist selbstverständlich ein positives Zeichen der Regierung, stellt aber dennoch eine große Schwierigkeit für unser Office dar, da die Einnahmen natürlich nicht automatisch stiegen, sodass langfristig weniger MitarbeiterInnen beschäftigt werden können. In diesem Sinne ist gegenseitiges Helfen und Unterstützen nun noch notwendiger als zuvor. Um wieder auf das Thema des Neujahrsfestes zurückzukommen. Nach dieser Ansprache setzen sich die ältesten MitarbeiterInnen in eine Reihe und alle restlichen KollegInnen nahmen kleine Becher/Behälter in die Hand, die mit Wasser gefüllt wurden. Hockend bewegte ich mich vor den ältesten MitarbeiterInnen vorwärts und schüttete jedem Mitarbeiter etwas Wasser in die Hand, dieser wiederum goss das Wasser über meine Kopf oder meine Schulter und wünschte mir Etwas für das neue Jahr. Da ich keine genauen Vorstellungen hatte, wie diese Feierlichkeiten weitergehen sollten, wie nass man sein wird und ob alle MitarbeiterInnen wirklich bereit sind diesen Spaß mitzumachen, hieß es abwarten. Ich war gerade beim letzten Kollegen angekommen, der vor mir auf dem Stuhl saß, mittlerweile waren meine Schultern schon vollkommen nass, doch plötzlich traf mich ein Wasserstrahl am Rücken. Jemand hatte eine Wasserpistole ausgepackt und die Schlacht konnte beginnen.
Jeder schnappte sich irgendwelche Gegenstände, die mit Wasser gefüllt werden konnten und übergoss die anderen mit Wasser, dabei wurden ebenfalls Wünsche für das neue Jahr formuliert. Zudem wurde das oben genannte Puder gegenseitig in den Gesichtern verteilt, als Ersatz für Wasser und auch hierbei wünschte man sich gegenseitig alles Gute für die kommenden 12 Monate. Alle machten bei diesem Spiel mit und hatten ihren Spaß. Die Hierarchie, die normalerweise herrschte, war vergessen und die Kinder meiner KollegInnen,meine KollegInnen, mein Vorgestzter und ich waren am Ende vollkommen durchnässt. Der Restaurantchef wurde von den KellnerInnen sogar in ein kleines Wasserbecken, das zu einem Springbrunnen gehört, gesetzt. Schließlich folgte ein nettes Beisammensein. Durch diese frühzeitige Feier, hatte ich eine kleine Vorstellung wie die folgenden Tage ablaufen würden.
Am nächsten Tag wagten wir uns auf die Straße und nach wenigen Metern wurden wir bereits mit Wasser übergossen und mit Puder beschmiert. Eigentlich habe ich mir dies etwas schlimmer vorgestellt, doch die Leute kamen sehr langsam auf einen zu, man wurde ab den Schultern mit Wasser übergossen und erhielt dabei Neujahrswünsche. Eine gewisse Brutalität, Schnelligkeit oder Rücksichtslosigkeit, die ich von Wasserschlachten in Deutschland kenne, waren nicht zu finden. Es war eine sehr freundliche, vorsichtige und nette Atmosphäre, obwohl man sich auch nicht gegen das übergiessen wehren konnte.
Ich wurde eingeladen bei einer Kollegin die oben erwähnten familiären Zeremonien im Tempel mitzuerleben. Am Vormittag begaben wir uns zu dem Tempel des Dorfes, in dem meine Kollegin aufgewachsen ist und ihre Eltern immernoch leben. Alle DorfbewohnerInnen waren gekommen und nach einer einstündigen Gebetszeremonie, die von Mönchen gehalten wurde, gaben die DorfbewohnerInnen das mitgebrachte Essen an die Mönche. Jeder hatte die Lieblingsgerichte der verstorbenen Verwandten gekocht und in einen Henkelmann gepackt. Anschließend wurden die Knochen der bereits Verstorbenen von den Mönchen mit Wasser übergossen. Auch der Ehemann meiner Kollegin zeigte mir stolz die Knochen seiner verstorbenen Mutter, die er in einer Art vergoldeten Urne mitgebracht hatte. Danach begaben wir uns zu den Grabstellen der verstorbenen Verwandten, die sich auch auf dem Tempelgelände befanden, auch die Grabplatten wurden mit Wasser übergossen. In Thailand werden Verstorbene verbrannt, sodass eine Grabstelle meist nur durch eine Platte mit Inschrift in einer Mauer erkennbar ist. Auch besteht die Möglichkeit kleine Vögel in Käfigen zu kaufen und diese in die Freiheit zu entlassen und somit eine gute Tat zu zeigen. Besonders für Kinder ist dies ein toller Spaß. Nach dem Mittagessen, fand eine familiäre Zeremonie statt, indem sich die Eltern meiner Kollegin wieder in einer Reihe aufsetzten. Dann hockte sich die älteste Schwester meiner Kollegin mit ihrem Sohn vor ihre Eltern, wusch ihnen die Füße, schenkte ihnen Geld und goss Wasser in deren Hände, das ihr und ihrem Sohn über die Schultern gegossen wurde. Währenddessen bedankte sich die Tochter bei ihren Eltern und erhielt Neujahrswünsche von ihren Eltern. Es folgte der ältere Bruder meiner Kollegin mit seiner Familie und meine Kollegin als jüngste anwesende Tochter mit ihrem Ehemann und ihren Kindern. Auch ich durfte diese Zeremonie durchführen und auch anwesende Nachbarn bedankten sich bei den Älteren. Abschließend wurde ich als Gast aus Deutschland nochmals von den Ältesten, d.h. den Eltern meiner Kollegin und ihren Tanten mit Wasser übergossen und erhielt Neujahrswünsche. Ich habe diese Zeremonie als sehr emotional, intim und besonders erlebt.
Am letzten Abend der Festtage wurden wir eingeladen mit Freunden auf der Ladefläche eines Pick-ups neben einer Wassertonne zu stehen und durch die Stadt zu fahren. In jeder Stadt/ in jedem Dorf ist zu diesem Zeitpunkt eine bestimmte Straße (meist die Hauptstraße) ausgewiesen, um mit Pickups durchzufahren und die auf der Straße Tanzenden und Stehenden mit Wasser zu bespritzen und bespritzt zu werden. Leider hatten wir wenig Glück mit dem Wetter, sodass man nach einiger Zeit zu frieren begann, da die Kleidung natürlich völlig durchnässt war. Es war sehr interessant auch diesen Teil des Festes einmal mitzuerleben und auch die Menschen in meinem Wohnort waren erfreut eine Ausländerin während dieses Festes in ihrer Heimat und nicht in den großen Städten Bangkok oder Chiang Mai zu erleben. In diesen 3 bis 4 Stunden haben mir gefühlte 500 Menschen etwas Puder ins Gesicht geschmiert und mich nass gespritzt.
Es war ein großer Spaß und zeigte mir eine besondere Seite der thailändische Kultur.
Nun geht mein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst bald zuende. Die ersten Schritte in der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit waren nicht ganz einfach. Doch mittlerweile habe ich mich eingelebt. Ich kenne die Stadt, mein Apartement, meine Nachbarn, meinen Alltag und meine Arbeit.
Täglich erlebe ich besondere Dinge und Momente, die ich nur hier im Nordosten Thailands erleben kann, die meinen Horizont erweitern, mich vor neue Herausforderungen stellen, mich in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung bringen oder einfach nur spannend und aufregend sind.