Erfahrungsbericht Kenia

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Land
Kenia
Träger
VIA e.V. - Verein für internationalen und interkulturellen Austausch
Freiwillige/r
Henning

Arbeit auf einer Jugendfarm der Nicht-Regierungs-Organisation „Air-Lift“

Ankunft in Kenia

Ich bin jetzt bereits den vierten Tag in Kenya! Dass aber dermaßen viele Eindrücke auf einen einprasseln, hatte ich mir vorher so nicht ausgemalt. Ich sitze gerade hier mit Thilo und genieße ein klein wenig Abstand von dem chaotisch wirkenden Alltag hier in Nairobi. Nachdem wir am Tag der Ankunft noch zusammen mit den anderen knapp 20 Freiwilligen in einer kleinen Wohnung von unserem kenianischen Ansprechpartner übernachtet haben, sind wir am Tag darauf nach Nairobo, Lavington gefahren worden. Und herzlicher kann man nicht empfangen werden. Dies gilt auch für die allgemeine Gastfreundschaft der Bevölkerung, sei es in Kibera oder bei uns auf dem compound.
Heute durften wir endlich unserem Projekt im Slum beisitzen. Von der anfänglichen Diskussion über “spending money” konnten wir eher wenig bis gar nichts verstehen. Uns fehlen noch die Sprachkenntnisse. Daran wird gearbeitet!
Die bekannte internationale Sprache der Liebe aber, kann man auch locker auf den Fußball anwenden. “Flach spielen, hoch gewinnen” heißt es auch hier, wobei das Gewinnen hier Nebensache ist. Da können sich die ehrgeizigen Jungs aus Deutschland auf jeden Fall eine Scheibe abschneiden, man muss nicht immer Tore schießen um glücklich zu sein. Thilo und ich, beide sehr begeisterte Fußballer, waren also gleich mit dabei. Beim nächsten Mal nehme ich aber auf jeden Fall ein Trikot mit, Sonne und körperliche Arbeit vertragen sich nun mal nicht.
Mein erster Gang durch das Slumgebiet war ebenfalls ein einschneidendes Erlebnis. Nachdem es am Sonntag ziemlich stark geregnet hatte, vermischten sich die Abfälle, Exkremente und der Schlamm zu einem schmierigen Untergrund. Die Armut der Menschen ist kaum fassbar.
Den Ball flachhalten wird hoffentlich mein Motto für die kommenden 12 Monate sein. Nicht nur im Sport, sondern auch im Umgang mit der Armut und meiner reichen Herkunft.

Das Projekt: ‘Afri-Lift’

Die NRO (Nicht-Regierungs-Organisation) “Afri-Lift” wurde 2005 in Kenia registriert und wird von
dem neuseeländischen Ehepaar Margaret und Robin Aim, sowie Jolanda Kuiphof-Odiyo geleitet.
Ihre Mission besteht darin, jungen kenianische Erwachsenen und Kindern eine vernünftige schulische und soziale Ausbildung zu ermöglichen. Dies wird durch 3 grundlegende Bestandteile erreicht: In verschiedenen Schritten wird versucht ihnen ein christliches Miteinander, Verantwortungsbewusstsein und ein Gefühl der Dazugehörigkeit zu vermitteln.
Afri-Lift arbeitet derzeit in verschiedenen Projekten. Zum Einen werden perspektivlose Kinder und Jugendliche direkt auf der Straße (beispielsweise in Kibera, eins der größten Slumgebiete der Welt) angesprochen. Des Weiteren hat man in den letzten Jahren eine große Jugendfarm aufbauen können, auf der die Kinder eine primäre Schulbildung erfahren und die grundlegenden landwirtschaftlichen Methoden erlernen. Alle Ziele werden zusammen im Team erreicht. Das Ergebnis der zweijährigen Mentoring-Phase ist eine Jobgarantie in Bereichen der Landwirtschaft und/oder Dienstleistungssektor.

Alltag in Kenia

So, nachdem sich der Alltag eingestellt hat und hier seit Langem nichts mehr Spektakuläres passiert ist und ich keine größeren Reisen unternommen habe, beschreibe ich einfach mal die letzten Wochen. Man muss verstehen: nach 8 Monaten ist es einfach normal, wenn ein Schaf hinten auf dem Motorrad mitfährt.
Zuallererst gibt es dort die Situation im Slum. Die kenianische Regierung hat ohne öffentliche Bekanntmachung mit dem Bau der neuen Umgehungsstraße begonnen – direkt durch unseren Projekttreffpunkt. Mit 45 Mercedes Limousinen kam sogar der Präsident Kibaki selbst, um den Spatenstich zu setzen, sowie um ein großes Marmor-Denkmal zu enthüllen. Gefreut hat mich, dass die Bevölkerung von Kibera dieses am folgenden Tag wieder eingerissen hat. Auf dem Fundament dieses Denkmals sitzen wir also seit Kurzem und führen unsere Diskussionen eben dort. Mich persönlich stört nur, dass die chinesischen Bauarbeiter andauernd um uns herumwuseln. Diese arbeiten leider 24 Stunden, 7 Tage die Woche, so dass wir ihnen nicht ausweichen können. Für die Zukunft ist ein neuer Ort geplant.
Ein weiterer Abschnitt war der Besuch meiner Familie. Der Job als Touristenführer ist mir eindeutig zu anstrengend, insbesondere die Stadtführungen – Nairobi ist halt einfach hässlich.
Also ein weiterer gestrichener Punkt auf meiner „was-willst-du-später-mal-machen-Liste“.
Mit meinen Eltern und meiner Schwester war ich dann auch zum ersten Mal zum „Tiere gucken“. Einen ‚Zoo auf 4 Rädern’ könnte man den Safaritourismus auch bezeichnen. Natürlich gehört es dazu einmal in Kenia eine Safari mitgemacht zu haben und mir hat es auch Spaß gemacht, die „Big-Five“ einmal live zu sehen. Mit meinem Besuch war ich natürlich auch auf der Farm, wo wir den Jungs, die in Deutschland gesammelten Schuhe und Klamotten übergeben haben. Ganz besonders die Schuhe für die Level 2 Jungs waren notwendig, viele mussten lange Zeit barfuss Fußball spielen. Vielen Dank noch einmal an alle Spender aus Deutschland!!! Ebenso gehörte ein Kibera-Besuch dazu. Wie meine Familie diesen Besuch schlussendlich aufgenommen hat, muss man sie wohl selbst fragen. Und am selben Tag ging es noch zum Maasai Markt, auf dem es allerlei Handwerkliches, Kunst und Ramsch gibt. In der Regel überteuert, so dass ich das Handeln übernommen habe, auch wenn mein Kiswahili jetzt nicht „allererste Sahne ist… aber schon Sahne“. Letztendlich war der Luxus den man für knapp zwei Wochen hatte, sehr gut auszuhalten. Jetzt wohne ich wieder in meinem „Rattenloch“ (Zitat meiner Mutter), wobei wir nicht mal Ratten haben, sondern nur Kakerlaken.
Dann gab es noch ein erfreuliches Erlebnis auf der Farm. Ein erfahrener Fußballtrainer hat uns besucht und natürlich auch mitgespielt. Er hatte jahrelang eine Mannschaft in der „Kenyan Premier League“ trainiert und viele bekannte Namen hervorgebracht und David, unserem besten Spieler, ein Angebot für eine Fußball Akademie gemacht. Ebenfalls hat er den Plan, ehemalige Nationalspieler (mittlerweile im Altherren-Alter) zu einem großen Fußballtag zur Farm zu bringen, inklusive anschließendem Grillen. Worauf ich schon relativ viel Lust habe;)
Momentan haben wir gerade Osterferien, was als auch als Lehrer dennoch bedeutet, dass wir arbeiten, da die Jungs das gesamte Jahr auf der Farm verbringen. Wir waren mit ihnen zur Abwechslung mal im Wasser, Schwimmen kann leider niemand – Schwimmlehrer möchte ich übrigens auch nicht werden - und werden noch Besuch von auswärtigen Lehrern bekommen, die den Jungs das Thema Mechanik und Motor näherbringen sollen.
Thilos und meine Ferien verschieben sich dann noch die eine oder andere Woche, wir wollen aber auf jeden Fall noch nach Tansania und haben auch geplant, andere Freiwillige in Kenia zu besuchen.

Urlaub auf Sansibar

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich war auf Sansibar. Nicht irgendeine Bar auf Sylt oder an sonstigen Stränden in Deutschland, sondern der vor Tansania gelegen Insel.
Nach 16 Stunden deprimierender Busfahrt von Nairobi nach Dar es-Salaam und meinen ersten Erfahrungen mit den stilechten Dalla-Dallas, dem tansanischen Verkehrsmittel, bin ich für zwei Nächte bei einer Freiwilligen untergekommen. Die Fahrt war insofern deprimierend, da man vor Sonnenaufgang losfährt und erst Stunden nach Untergang (welcher hier an jedem Tag im Jahr um ca. 19 Uhr ist) ankommt und während der Fahrt nichts außer brennenden Büschen, Müll und armen Dörfern sieht. Der Kilimanjaro, der höchste und massivste Berg Afrikas, ist auch unbemerkt an mir vorbeigezogen, da er ständig in Wolken verhüllt ist. Tansania ist noch deutlich von dem Entwicklungsstand Kenias entfernt. Soviel schon einmal vorweg.
Nach zwei Tagen Aufenthalt traf ich mich dann mit einer weiteren deutschen Freiwilligen aus Kenia und verließ das Festland per Fähre. Ziel: Stone Town, Zansibar.
Es ging schon gut los, als man kaum angekommen war, strömten unzählige Touristenführer auf uns zu, welche einem unzähligen und unnötigen Quatsch andrehen wollen, sowie Hotels und Tauchtouren anbieten.
In Stone Town hab ich dann mein Hobby endlich wieder ausüben können: (weiße) Leute beobachten und nebenbei gab es noch leckeres Essen. Ich habe langsam festgestellt, dass viele Afrikaner alle gleich sind. Damit meine ich nicht nur das Aussehen (Männer entweder kurze Haare oder Rastas, Frauen entweder Dreadlocks oder 2 Flaschen Haarspray), sondern auch das Verhalten. Da fand ich es super über das typische touristische Verhalten herzuziehen, da ich selbst keiner mehr bin, bzw. mich nach elf Monaten nicht mehr so fühle.
Stone Town selbst war definitiv anders als Nairobi. 300.000 Einwohner leben natürlich nicht nur in der Altstadt, welche direkt am Fähranleger gelegen ist und viele Touristen anzieht. Viele enge Gassen, in der wir uns regelmäßig verlaufen haben, hupende Roller, die sekündlich zwischen den Häuserwänden in Höchstgeschwindigkeit durchpreschen und hunderte von kleinen Shops und Hotels. Die Anwohner führen ihr Leben augenscheinlich nur auf der Straße, in Nairobi auch undenkbar.
Nach 2 Tagen Stone Town und einer Tour auf der man mit Delfinen im Indischen Ozean schwimmen konnte, sind wir dann weiter nach Kendwa, ein kleiner Ort im Norden, wo ich das wahre „Hakuna Matata“ Leben endlich kennengelernt habe, ich dachte diese Lebenseinstellung wird nur hochgehalten, um Touristen anzuziehen. Manchmal frage ich mich, warum wir in Nairobi leben und arbeiten und nicht dort!
Nach 6 Tagen insgesamt mussten wir unseren ersten richtigen Urlaub beenden und den Rückweg zum Festland antreten. Zurück in Nairobi, momentan eine richtige Kühltruhe, wartete dann auch die Arbeit auf mich, von der ich mich aber nun langsam verabschieden muss. Der für uns letzte Schulabschnitt ist demnächst vorbei und die Examen müssen geschrieben und kopiert werden. Freiwilligenarbeit, definitiv, da die Lehrer kaum Erfahrung mit dem Umgang am Computer haben.
In zwei Wochen unterbreche ich noch einmal für einen einwöchigen Trip nach Lamu, einer kenianischen Insel, südlich von Somalia gelegen. Dann sind auch nur noch knapp zehn Tage bis zu meiner Rückkehr, auf die ich mich sicher auch freue!

Kwa heri, Henning

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