Erfahrungsbericht Ghana

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Land
Ghana
Träger
VIA e.V. - Verein für internationalen und interkulturellen Austausch
Freiwillige/r
Max

Unterrichten in einer Schule

Die ersten Tage in Ghana - Von Schule und Anekdoten
Es ist Feiertag der Muslime (keine Schule) also Zeit zu schreiben, nachdem die letzte Woche und das Wochenende zwischen langen Schultagen, ausgiebigen Strandbesuchen, anstrengenden Fußballtrainings und leckeren Mahlzeiten sehr schnell vorbei war. Dieses Mal möchte ich, am Ende meines Eintrages, ein paar Anekdoten erzählen, denn ich habe Spaß am Tagebuch führen bekommen und daher einige lustige und bewegende auf Lager. Jeden Abend vorm Schlafen gehen notiere ich mir die schönsten Momente des Tages in ein Notizbuch und freue mich ein zweites Mal. Mittlerweile ist meine Arbeit in der 5. Klasse richtig im Gange und daher drehen sich viele meiner Gedanken um die Schülerinnen und Schüler mit denen ich jeden Tag zu tun habe. Schon stellen sich natürlich die ersten Probleme in den Weg, aber ich beginne von vorne.

Der Unterricht verläuft nach hiesigem Schulsystem folgendermaßen:
Der Lehrer schreibt Informationen zusammen mit Aufgaben an die Tafel. Die Kinder schreiben diese ab und lösen die Aufgaben so gut sie können. Währenddessen geht der Lehrer durch die Klasse, sorgt für Ruhe und hilft bei den Aufgaben (was gleichzeitig, bei über 30 Kindern pro Klasse, eine schwierige Aufgabe ist). Dann werden die Hefte zum Lehrerpult gebracht. Der Lehrer korrigiert nun die Aufgaben. Während der Lehrer korrigiert entsteht ein Freiraum für die Kinder, in dem sie nichts zu tun haben. Sind die Korrekturen fertig haben im Optimalfall einige Kinder die Bücher und Hefte fürs nächste Fach ausgeteilt und der Lehrer fährt mit dem nächsten Fach in gleicher Weise fort.
Mein Klassenlehrer, Mr. Mensah, ist wie ich ihn bisher kennen gelernt habe, ein äußerst liebenswürdiger und offener „Vorgesetzter“. Mein Gefühl, dass ich es hier mit einem Lehrer mit verinnerlichtem Lehrauftrag zu tun habe, hat sich über die letzten Tage immer mehr bestätigt. Da ich kein ausgebildeter Lehrer und grade neu bin, habe ich natürlich nicht sofort angefangen selber zu unterrichten, sondern mir die Situation erst einmal angeschaut und dann mit Mr. Mensah besprochen. Meine Aufgabe war diese Woche also vor allem das Korrigieren, um meinem Lehrer den Freiraum zu schaffen, mehr zu erklären. Ich habe jedoch so viel Zeit wie möglich dazu genutzt einzelnen Kindern Aufgaben zu erklären und die einzelnen Schülerinnen und Schüler erst einmal kennen zu lernen. Ich denke, diese erste Phase meiner Tätigkeit ist sehr wichtig und eine in Vorstellungen oft vernachlässigte, denn die Probleme zu erkennen und nicht zu versuchen nach voreingenommenen Vorstellungen die Situation zu „verschlimmbessern“ ist essentiell.

In sehr aufschlussreichen Gesprächen habe zum Beispiel herausgefunden, dass schätzungsweise 8-10 Kinder sehr wenig Englisch sprechen. Hier liegt auch der Grund dafür, dass dieselben Kinder in den Fächern Mathe, Integrated Science und ICT schlecht abschneiden. Diese Kinder, die also fast ein Drittel ausmachen, haben also mit Stoff zutun
von dem sie die Erklärungen, in der Unterrichtssprache Englisch, nicht oder kaum verstehen.
Mr. Mensah macht mit diesen Kindern nach Schulende an mindestens zwei Tagen daher Extraunterricht in Englisch. Außerdem fasst er den Inhalt der letzten Stunde noch einmal in der Fanti-Stunde (Unterricht in der Muttersprache der Kinder) zusammen.
Wir haben daher überlegt, ob es sinnvoll wäre die Klasse in einigen Stunden zu teilen, sodass er die 8-10 Kinder, mit seinen Fanti Kenntnissen, ungestört in Englisch unterrichten kann. Ich würde dann den dem Englischen, immer noch sehr unterschiedlich mächtigen, Teil der Klasse unterrichten. Wir werden sehen, ob ich die Kinder in den Griff bekomme und meine Erklärungen verstanden werden…
Aber gerade zwischen den Stunden, in den Pausen, oder nach Schulende spielen sich die Szenen ab, die meinen Aufenthalt bisher besonders machen.

Ich habe diese Woche zum ersten Mal Zuckerrohr pur gegessen. Drei, einen halben Meter lange Stäbe, die wie dicke Bambusstangen aussehen, kosten 25 Eurocent. Man zerteilt sie mit einem sehr scharfen Messer zieht die dünne Rinde mit den Zähnen ab und kaut dann auf abgebissenen Stücken des Inhalts herum um an den süßen Saft zu kommen. Herunterschlucken darf man nicht, denn nach einiger Zeit im Mund wird die Konsistenz holzig.
In meiner Klasse habe ich außerdem schon ein paar Talente entdeckt. Ein Junge, der Prince mit Vornamen heißt, hat in der Pause, nachdem ich ein bisschen auf dem Tisch herumgeklopft hatte, mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Rhythmusgefühl den Tisch bearbeitet und mich zum Staunen gebracht. Einen äußerst talentiertes Michael Jackson Imitat ist mir auch aufgefallen.
Eine Schülerin hat am Montag im Englischunterricht die Geschichte über ihren „Besten Freund“ über mich geschrieben. Die Idee war ihre, aber im Inhalt wurde ich (mit meiner dezenten Hilfe ) zum weltbesten Fußballer getunt.
Mein Fanti macht kleine Fortschritte. Ich habe jetzt ohne Hilfe bis zehn gezählt und kann Leute auf der Straße zu jeder Tageszeit passend grüßen.
Die Stimmung in der Wg, in der ich nun doch die nächsten zehn Monate bleibe, ist absolut positiv und sehr entspannt. Die Strandbesuche und Abende mit den anderen Freiwilligen am Wochenende waren sehr cool und lassen noch immer alles wie Urlaub anfühlen. Ich fühle mich hier wirklich sehr wohl und blicke mit großer Vorfreude in die aufregende Zukunft.

Fast ein Monat rum - Der Glaube in Ghana und viele andere Geschichten
Ich melde mich dieses Mal, aus dem immer wärmer werdenden Ghana, um von ein paar alltäglichen Sachen zu berichten, die ich in den ersten turbulenten Tagen und Wochen nicht erwähnen konnte. Die erwähnenswertesten Erlebnisse dieser Woche werden natürlich auch nicht fehlen.

Es gibt hier viele Ameisen. Kleine und große, orientierte und planlose. Die Ameisen in unserer Wg sind zumeist von der kleinen, planlosen Sorte. Sie sind sofort in kleineren Zahlen zur Stelle sollten wir mal einen Tag lang nicht alles Geschirr abgewaschen haben. In größeren Gruppen und als Straßen haben wir sie noch nicht in der Wohnung gehabt seit ich da bin, aber die Lage soll schon deutlich schlimmer gewesen sein. Beeindruckend zu sehen sind diese Tiere jedoch oft früh morgens, wenn Juraj und Ich Mittwochs und Donnerstags zum Training aufbrechen. Dann staunen wir gerne über die Leistung, wie zehntausende Minifüße es schaffen eine kleine Halfpipe in den harten Sandweg zu laufen.

An Bargeld zu kommen hat hier seine Tücken wie ich feststellen musste. Zuerst wurde meine Visakarte aus unbekanntem Grund vom Automaten gefressen, als ich gerade das Geld für Miete und Verpflegung abheben wollte. Die nette Dame in der Bank sagte mir ich solle nächsten Tag wiederkommen um sie abzuholen, was dann mit Reisepass und Unterschrift problemlos funktionierte. Als ich dann zwei Tage später einen neuen Versuch startete, wollte von drei fähigen Automaten, mir einer kein Geld geben (meine Karte durfte ich aber behalten), der zweite war komplett kaputt und vor dem Dritten bildete sich eine Schlange, weil der Automat nach jeder Abhebung fünf Minuten versuchte einen Beleg zu drucken, der dann als weißes Blatt Papier heraus kam. Weitere zwei Tage später hatte sich die Situation wieder entspannt und ich konnte in entspannten vier Abhebungen nach und nach in Fünf-Cedi-Scheinen mein benötigtes Geld zusammenkratzen.

Da Anfang nächster Woche die Feier zum 50. Geburtstag unserer Schule beginnt, die eine ganze Woche gehen soll, haben Juraj und Ich uns wie alle Lehrer zu diesem Anlass aus einem besonderen Stoff Hemd und Shorts nähen lassen. Das Ganze ist für eine Maßschneiderung mit umgerechnet fünf Euro (ca. 10 Cedi) extrem günstig. Fotos folgen im Anschluss an die Feierlichkeiten. Außerdem hatten wir uns, schon bevor wir ins „Verschönerungs-Lehrerkomitee“ eingeteilt wurden, überlegt den Namen der Schule, an eine von der Straße aus sichtbare Wand, zu pinseln. Die Idee wurde sehr positiv aufgenommen, doch mit dem Zeitaufwand hatten wir uns etwas unterschätzt. Um die Buchstaben symmetrisch zu schreiben und als Schablonen auszuschneiden, mussten wir Freitag und Samstag jeweils mehr als drei Stunden aufwenden. Wie lange morgen das malen dauern wird wage ich daher nicht zu schätzen.
Außerdem fand am Mittwoch eine große Aufräum- und Verschönerungsaktion statt, an der ALLE Schüler und Lehrer teilnahmen. Bäume wurden unten weiß angemalt, hohes Graß rund um das Schulgelände mit langen Messern geschnitten, Teile der Wände neu gestrichen, das Gelände gefegt, rund um die Beete wurden Autoreifen eingegraben und weiß gestrichen.
Das Ergebnis ist sehr sehenswert.

Am Sonntag waren Juraj und Ich (für mich das erste Mal) in einer ghanaischen Kirche. Der Gottesdienst war für mich etwas ganz neues. An dem offenen, kleinen Holzbau angekommen wurden wir persönlich begrüßt und dann sprach eine Dame in einem Mix aus Fanti und Englisch darüber, wie das Vertrauen in Gott über schwere Zeiten hinweghelfen kann.
Getränkt von auffordernden „Amen“, die von der Gemeinde erwidert wurden, war die Rede sehr nah an der Bibel gehalten und nicht zu vergleichen mit den, auf aktuelle gesellschaftliche Probleme bezogenen, Reden unseres lokalen Pastors in Deutschland.

Als ich mit Emma, unserer Mentorin, darüber sprach, während ich dabei war ihr beim Pancake braten für Dennis Geburtstagsabend zu helfen, erzählte sie mir was ich mir in diesem Zusammenhang schon gedacht hatte. Wenn die Religion, für die Ghanaer und Ghanaerinnen, nicht der Weg zu Hoffnung und Besinnung in schweren Zeiten wäre, würden viele an den Bedingungen verzweifeln. Der Ausspruch „Religion ist Opium für das Volk“ sei für sehr große Teile der Bevölkerung angebracht.

In der Schule haben Mr. Mensah und Ich am Dienstag, dem letzten normalen Schultag bevor am Mittwoch geputzt und Donnerstag und Freitag die Sportwettbewerbe ausgetragen wurden, einen Zettel herumgehen lassen, auf den sich jeder Schüler mit seinem Namen eintragen sollte, der nicht auf Englisch lesen kann. Das Staunen meinerseits war groß, als die Liste sich mit 26 Namen füllte. Da ich immer davon ausgegangen war, dass die Klasse etwas über 30 Schüler hat, sah ich mir die Klassenliste einmal genauer an und zählte 51 Schüler.

Sicherlich haben sich einige auf die Liste geschrieben, weil sie nicht wussten worum es ging, aber trotzdem war die Zahl erschreckend und die Woche nach dem Jubiläum werden wir jeden einzeln vorlesen lassen müssen, um uns ein realistisches Bild der Situation zu machen.
Erst wenn dies getan ist, wird der Teil folgen auf den ich mich sehr freue: Eigener Unterricht!

Ansonsten blicke ich mit großer Vorfreude aufs Jubiläum, denn an Essen und guter Laune wird es hier nicht mangeln.

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