Erfahrungsbericht Südafrika

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Land
Südafrika
Träger
VoluNation
Freiwillige/r
Miriam S

Krankehnausprojekt in Südafrika

Hallo, oder „Goeiedag“ auf Afrikaans, mein Name ist Miriam, ich bin examinierte Gesundheits- und Kinderkrankenschwester und ich habe für 2 Wochen ein medizinisches Praktikum in Kapstadt absolviert.

Persönlich bin ich ein großer Afrika-Fan, schon als Teenie habe ich Bücher wie „Die weiße Massai“ verschlungen und bin gleich nach dem Abi für mehrere Monate durch Kenia und Tansania gereist. Dabei lernte ich die Menschen und das Land kennen und lieben und die Liebe zu dem Kontinent hält bis heute.

Ehrlicherweise war Südafrika nie auf meiner Wunschliste der zu bereisenden Länder ganz oben, da ich dachte, dass ich da nicht „mein Afrika“ - also das ursprüngliche, einfache Afrika mit den zwar armen, aber lebensfrohen Menschen antreffen würde, sondern vielmehr reiche Europäer. Doch ich war neugierig und entgegen meiner Vorurteile ließ ich mich auf das Abenteuer ein und stieg in den Flieger nach Kapstadt und ich habe es nie bereut!



Ich habe in meinem Leben schon viel in Afrika gearbeitet, allerdings eher in Kinder- oder in HIV-Projekten. Die medizinischen Projekte waren so auch Neuland für mich, genauso wie das südliche Afrika. Durch das Stöbern im Internet stieß ich auf die Möglichkeit, noch sehr kurzfristig ein passendes Projekt zu bekommen. Die Uhr tickte und da ich im Schichtdienst arbeite, wurde alles sehr knapp mit der Planung. Ich hatte nur noch 2 Wochen Zeit, bis es losgehen sollte.
Mir wurde schnell geholfen, ich bekam mein Wunschprojekt durch meine medizinische Vorerfahrung und saß nach nur sieben Tagen auf gepackten Koffern. Für meine Eltern war es eher ein Schock, ihre Tochter nun wieder nach Afrika ziehen lassen zu müssen, besonders aufgrund der derzeitigen Situation mit den Ebola-Erkrankungen, doch all dies schreckte mich nicht ab, denn ich wusste, es besteht keinerlei Gefahr und die Abenteuerlust war größer als die Angst. Die Reise begann.

Spät an einem Samstagabend, nach einem gesamten Tag im Flugzeug mit Halt in Amsterdam, erreichte ich Kapstadt. Schon von oben konnte ich die wunderschönen Lichter der großen Stadt betrachten und trotz Frühling war das Klima eher mild. Bei der Einreise war kein Visum vorab erforderlich und ich konnte nach kurzer Passkontrolle durch die Sicherheitsschranke. Es wirkte zwar alles am Flughafen sauber und modern, dennoch tropfte aus einem Loch in der Decke Wasser, weswegen ein Eimer behelfsmäßig darunter gestellt wurde, ich konnte mir ein Schmunzeln bei dem Anblick und der Gelassenheit der Afrikaner nicht verkneifen und wanderte einfach drum herum. Von einem jungen Mann wurde ich mit einem abenteuerlichen Namensschild empfangen und konnte erraten, dass es sich um mich handeln musste. Dann fuhren wir mit zwei anderen Freiwilligen in dem Taxi ca. 30 Minuten zu meiner Unterkunft, einem Hostel am Meer, nicht weit von meinem Projekt entfernt.

Der Hostel-Chef, oder auch heimlich mal unser „Hostel daddy“ genannt, hatte mich schon erwartet und gleich im Haus herumgeführt. Er erklärte mir die Hausregeln und nahm mich mit zum Stammtreffpunkt um die Ecke, eine kleine Kneipe, wo die anderen Freiwilligen heute einen Geburtstag feierten. Ich wurde freundlich begrüßt und alle lachten und redeten auf Englisch durcheinander, Deutsche waren in der Mehrzahl, doch wir verständigten uns alle auf Englisch miteinander, allein schon aus Fairness den anderen Freiwilligen gegenüber.

Das Hostel war sauber und es fehlte eigentlich an nichts, dennoch war es sehr ungewohnt. Aber man gewöhnte sich an alles, vor allem, da ich mich mit meinen Zimmergenossinnen sehr gut verstand.

Nach einem gemeinsamen Einführungstag am Montag, bei dem ich Stadt und die Kapstädter mit den anderen Freiwilligen besser kennen lernte, ging am Dienstag mein Projekt in der Klinik los. Ich lernte schnell, wenn ich wirklich viel mit anpacken möchte, dann muss ich schon recht früh da sein und zu den Stoßzeiten mithelfen. Also startete ich schon gegen sieben Uhr morgens, gegen 10,11 Uhr gab es 30 Minuten Teepause und zwischen 12 und 13.30 Uhr je eine Stunde Mittagspause. Abhängig, bei wem und in welchen Räumen der Tagesklinik ich mitarbeitete, machte ich unterschiedlich Pause mit meinem jeweiligen Mitarbeiter. Meist verzichtete ich jedoch auf die lange Mittagspause, arbeitete stattdessen länger und ging dann gegen 15 Uhr nach Hause, weil dann nicht mehr so viel los gewesen ist im Tagesbetrieb der Klinik.

Die Mitarbeiter haben Dienst montags bis freitags von 7 - 17 Uhr. Das Klinikum ist eine reine Tagesklinik, wird von der Regierung finanziert und ist kostenlos für die Patienten. Wegen der Registrierung muss man allerdings als Patient für eine Behandlung schon sehr früh da sein und dann stundenlang warten. Besonders schwere und kranke Patienten werden nach Ersteinschätzung in ein benachbartes Sommerset geschickt.



Meine Aufgaben im Überblick

Im sogenannten „preparing room“, dem Vorbereitungsraum, erhob ich Blutzucker, Urinproben und Schwangerschaftstests von den Patienten, checkte Temperatur und Blutdruck, sowie bei den HIV-Patienten auch immer Gewicht und Größe. Die HIV-Patienten waren sehr zahlreich und kamen routinemäßig alle paar Wochen, um ihre Werte kontrollieren zu lassen, besonders im späteren Stadium waren diese Patienten sehr abgemagert und schwach.

Im „dressing room“ versorgte ich teils schlimme chronische Wunden, teils leichtere Kaiserschnitt-Narben, Verletzungen durch Überfalle oder Schlägereien und zog Fäden oder legte Blasenkatheter.
Im Emergency room, wie unsere Zentrale Notaufnahme (ZNA), wurden Infusionen gelegt bei z. B. entgleisten Diabetes-Patienten oder Notfälle versorgt und Erstgespräche bei Aufnahme eines Patienten nach einem Unfall geführt. EKGs wurden geschrieben und Blutdrücke sowie Sauerstoffsättigungen gemessen, die Patienten bekamen teilweise Sauerstoff und blieben zur Überwachung für einige Stunden.

Im Injection room wurde Blut abgenommen, Braunülen gelegt oder Spritzen gegeben u.a. zur Schwangerschaftsverhütung (3 Monats Spritze) und Schwangerschaftsvorsorgegespräche geführt.
Dann gab es noch eine große Apotheke im Klinikum, wo die Patienten regelmäßig ihre Medikamente erhielten, und eine Patienteninformation. Im hinteren Teil war die Baby-Klinik, hier fanden Vorsorgeuntersuchungen statt oder kranke Kinder wurden behandelt, die Fieber oder Durchfälle Pocken hatten. Kinder wurden geimpft und gewogen, doch auch hier war die Wartezeit sehr lang und oft waren die Eltern selbst krank und gingen danach in den anderen Bereich der Klinik, um sich selbst behandeln zu lassen.

Vermehrt kamen auch Tuberkulose-Patienten, hierfür gab es einen speziellen Raum, Mundschutz tragen war Pflicht hier. Die Patienten mussten eine Speichelprobe abgeben und wurden getestet. Je nach Stadium bekamen sie ihre Medikamente und mussten sich regelmäßig wieder vorstellen.
Ich habe während meiner Zeit in der Tagesklinik viel dazugelernt und wurde in meinem Berufswunsch als Ärztin weiter bestärkt, mir wurde wieder vor Augen geführt, dass Gesundheit unser kostbarstes Gut ist und man noch viel mehr tun muss, um Gesundheit zu erhalten und die Menschen über die Hygiene aufzuklären. Teilweise kamen Obdachlose in schlimmem Zustand direkt von der Straße, um sich ihre Wunden behandeln zu lassen oder um neues Verbandsmaterial zu erhalten. Auch für diese Menschen fand man immer ein liebes Wort und steckte ihnen beim Abschied noch ein wenig Essen zu, was immer dankbar entgegen genommen wurde.

Aufgrund mangelnder Hygiene wurden aus kleinen Spinnenbissen riesige Wundkrater, die sich infizierten und immer mehr ausbreiteten. Besonders traurig machte mich das Schicksal eines stark übergewichtigen Mannes mit Diabetes, dessen Unterschenkel große, tiefe Wunden aufwiesen, bereits seit 14 Jahren kommt er zwei Mal die Woche zum Desinfizieren, Reinigen und Verbinden der Beine. Das Geld für eine großzügige Hauttransplantation bzw. Amputation ist nicht vorhanden und heilen werden diese Wunden mit Maßnahmen wie diesen nie, der Zustand wird nur relativ stabil gehalten und die Schmerzen sind für ihn zur Normalität geworden. Dennoch lacht und scherzt er bei jedem Besuch und hat sich selbst nie aufgegeben.

Besonders berührten mich auch die vielen unglücklichen schwangeren Frauen, die in die Klinik kamen, um ein Abtreibungsgespräch zu führen. Diese Gespräche fanden in einem Raum neben dem „preparing room“ statt, genauso wie die HIV-Tests. Die Frauen wurden über den Ablauf und die Risiken aufgeklärt, leisteten eine Unterschrift und bekamen einen Schein, um die Abtreibung im nächsten Krankenhaus durchführen lassen zu können.



Zum Thema Freizeitbeschäftigung kann ich sagen, dass ich natürlich versucht habe, trotz der Kürze der Zeit viel in Kapstadt und Umgebung zu unternehmen, um Land und Leute kennenzulernen. Wunderschön war der Ausflug auf den Tafelberg in Verbindung mit meinem Geburtstag und einer Flasche Sekt. Dort oben zu feiern und die atemberaubende Aussicht zu genießen war kaum zu toppen, selbst die kleinen Murmeltiere trauten sich teilweise ganz dicht heran und feierten mit. Sehr beeindruckend war auch der Besuch auf Robben Island, der ehemaligen Gefängnisinsel, vor der kleinen Zelle von Nelson Mandela zu stehen und mehr von dieser starken Persönlichkeit und seiner traurigen Lebensgeschichte zu erfahren. Stadtrundfahrten und ein Besuch der legendären Weinrouten sind ein Muss und haben viel Spaß gemacht, ich kam überall schnell ins Gespräch mit den Einheimischen und habe unvergessliche Eindrücke gewonnen.

Mein persönliches Highlight war meine Safari, besonders der Ritt auf einem Elefanten, diesen sanften Riesen so nah zu sein, sie zu füttern und sich umarmen zu lassen, wird unvergesslich bleiben. Diese intelligenten Tiere behalten dich ihr Leben lang im Gedächtnis und vergessen nie, wer gut oder schlecht zu ihnen gewesen ist. Die Safari beinhaltete viele schöne Momente, meine Zeit mit den Tigerbabys oder den Affen, ein Spaziergang mit Löwen oder das Füttern von Sträußen.

Das Leben in Afrika unterscheidet sich vor allem im Vergleich zu Deutschland durch die Gelassenheit der Kapstädter, durch deren Optimismus und die Lebensfreude. Meine Sorge war unbegründet, ich habe zwar auch unheimlich reiche Luxusautos gesehen und einige wohlhabende Menschen dort getroffen, doch ich konnte auch Freundschaften fürs Leben schließen mit Krankenschwestern- und -pflegern der Klinik, anderen Freiwilligen und bin um viele Erfahrungen reicher. Ich habe mich mitreißen lassen, habe die Townships besucht und wollte das Leben der Menschen dort so kennenlernen, wie diese auch wirklich leben, fern vom Tourismus. Ich habe Obdachlose teilweise direkt vor meinem Hostel auf dem nackten Boden schlafen sehen, viele Bettler und Verletzte. Vielen habe ich etwas zu Essen gegeben und es hat mich nachdenklich gemacht, aber auch dankbar dafür, dass ich das Privileg habe zu reisen, immer genug zu essen und zu trinken zu haben und Zugang zur Bildung genießen darf.

Ich rate den anderen Freiwilligen, immer mit offenen Augen in ein neues Land zu reisen, sich auf die Menschen und die Unterschiede dort einzulassen und vor allem sich bewusst zu machen, wie sehr es einem zum Teil besser ergeht als so vielen obdachlosen, kranken hungernden Menschen, gerade in den Entwicklungsländern. Wenn ihr offen seid, euch auf das jeweilige Projekt einlasst und Respekt und Eigeninitiative zeigt, dann werdet ihr eine wunderschöne Zeit haben.
Es gab auch Tränen beim Abschied aus Kapstadt und dieser fiel mir alles andere als leicht, doch was bleibt, sind die Erinnerungen, die einem niemand mehr nehmen kann und das Versprechen auf ein baldiges Wiedersehen. Und es wird nicht nur ein Versprechen bleiben …

Dankie und Goeie totsiens - Danke und Auf Wiedersehen


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