Erfahrungsbericht Frankreich
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- Frankreich
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- Freiwillige/r
- anonym
Arche Lanza del Vasto
Rundbrief - 2005
An meine Lieben:
meine Familie, meine Freunde, Unterstuetzer und Eirenies
Nach ewiger Zeit, meinem auf Grund einer Computerpanne verlorenen Rundbrief, und dementsprechender Frustration, setz ich mich jetzt nochmal auf den Hosenboden, um euch, endlich, von meinem Leben hier zu berichten....
Ich versuche, diesen Brief so sachlich wie moeglich zu schreiben, ihn sogar ein bisschen zu gliedern (ich versuche es!) und so wenig wie moeglich zu schwafeln, weil ich ja auch will, dass euch meine Erzaehlungen interessieren. Ich moechte euch darstellen, wie, wo und mit wem ich hier zusammenlebe, was ich lebe, und vor allem wie ich mich mit und in und bei dem allem fuehle....
Also, schwupdiwup, fang ich gleich an.
1. Die Arche Lanza del Vasto
Die Arche Saint Antoine liegt abgelegen, in einem kleinen Dorf im SuedOsten Frankreichs: Saint Antoine l'Abbaye. Hier wohnen ca. 900 Personen, in einer suedfranzoesischen, gar mittelalterlich wirkenden Atmosphaere. Der Mittelpunkt des Ortes ist eine grosse Kirche, die "Abbaye", die wie das restliche Dorf eine altertuemliche, geheimnisvolle Wirkung ausstrahlt.
In der Kirche liegen die Gebeine des Heiligen Antonius, der um 800 nach Christus die erste Moenchsgemeinschaft gegruendet hat und zudem die erste Form eines Krankenhauses, bzw. Pflegeheimes fuer Alte und Schwache ins Leben gerufen hat. Saint Antoine leigt ausserdem auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostella, dem Jakobsweg.
Um diese Kirche herum befindet sich ein altes Klostergebaeude, mit "Klostergarten", in dem sich die Archegemeinschaft Saint Antoine vor knapp 20 Jahren installiert hat.
Der Gruender, Lanza del Vasto, geboren in Sizilien, war ein Schueler Gandhis.
Nachdem er einige Jahre in einem "Ashram" , einer Lebensgemeinschaft Gandhis in Indien gelebt und gelernt hatte, kam er zureuck nach Europa. Hier gruendete er, vorwiegend in Italien, Spanien und Frankreich Archegemeinschaften , die seiner von Gandhi wesentlich beeinflussten Idee der Lebensgestaltung entsprachen.
Die wichtigsten Pfeiler seiner Philosophie sind:
Gewaltfreiheit
(was eine gewaltfreie Konfliktbewaeltigung im kleinen persoenlichen Bereich genauso einschliesst, wie die politische Aktion fuer den Frieden im Grossen)
einfacher Lebensstil
(Verzicht auf Technik und v.a. Luxus, angestrebte Autonomie der Lebensgemeinschft etc.)
Begegnung mit Gott und Spiritualitaet im taeglichen Leben
Heute existieren noch drei dieser urspruenglichen Archen nach Lanza del Vasto.
Die "La Borie" und die "La Flayssier", die sich in der Naehe von Montpellier, aslo im Sueden Frankreichs befinden, leben eine sehr urepruengliche Form der Gemeinschaft.
Sie leben hauptsaechlich von der Landwirtschaft, vom Verkauf von Milch, Kaese, Brot und versorgen sich zum groessten Teil selbst. Es gibt kein fliessend warmes Wasser und kein Strom. Die beiden Lebensgemeinschaften versuchen, sich nicht zu sehr der Technik und Erneuerung zu oeffnen. Sie moechten alte Traditionen und Verfahrensweisen erhalten. Da dort aber zum groessten Teil Familien mit Kindern leben, ist es nicht leicht moeglich, sich dem Fortschritt wirklich konsequent zu entziehen.
Die dritte noch existierende Arche ist die Arche Saint Antoine, in der ich seit ueber einem halben Jahr lebe.
2. Die Arche Saint Antoine
Kurz nach ihrer Gruendung, vor knapp zwanzig Jahren, beschloss die Archegemeinschaft in Saint Antoine, anstelle einer Landwirtschaft einen Gaestebetrieb aufzubauen, um sich somit den Lebensunterhalt zu verdienen. Sie begannen mit dem Empfang von Gruppen und Seminaren, boten selbst Seminare zu verschiedenen Themen, wie der Gewaltfreiheit, der Konfliktbewaeltigung oder Mediation an.
Die eine Haelfte des grossen, alten Klostergebaeudes wurde also zur Hotellerieseite, die heute knapp 100 Betteb umfasst. Ausserdem wurden diverse Versammlungsraeume und Saele ausgebaut. Seit Beginn an orientiert sich das ganze Leben, der taegliche Rhythmus, die Arbeit an dem Gaesteempfang, der sich ueber das ganze Jahr hinstreckt.
Viele der urspruenglichen Werte und Ziele, nach dem Gruender, Lanza del Vasto, koennen jedoch mit dem Empfang von Personen nicht vereinbart werden. So ist die Arche hier, anders wie die zwei oben genannten, technisch auf dem zeitgemaesen Stand, verfuegt ueber Computer und Internet, sowie, selbstverstaendlich, fliessend heisses Wasser und Strom.
In dem Gebaeudeteil der "Communauté" wohnen acht Familien und Einzelpersonen und Paare, die zusammen wohnen und leben, arbeiten und beten.
2.1 Das Leben
Um den Alltag, das ganz normale Leben hier in meiner Arche zu schildern, werde ich den Ablauf eines ganz normalen Tages darstellen:
7.30 - 8.15 Fruehstueck die Familien essen in ihren Wohnungen, die Freiwilligen oder Gaeste im Essenssaal
8.15 - 9.15 Gemuese schnippeln - und auch alle sonstigen Vorbereitungen fuers Mittagessen treffen. Hier sind alle zusammen, Zeit, sich auszutauschen, kennen zu lernen
9.15 - 9.40 Meditation- freiwillig
9.40 - 10.00 Gottesdienst - erwuenscht, aber nicht verpflichtend, Bibellektuere und singen, katholisch orientiert
10.00-12.00 Arbeit
12.30 Mittagessen- gemeinschaftlich, vegtarisch
14.15-18.00 Arbeit
18.30 Priére - oekumenisches Gebet um Feuer, um den Tag gemeinsam zu beenden
19.00 Abendessen - nur Freiwillige/ Stagieres
Im Grossen und Ganzen ist das das taegliche Geschehen. Es vergeht aber fast keine Woche, in der es nicht einen Aperitif, einen Geburtstag und sonstige Festlichkeiten aus welchen Gruenden auch immer gibt. Neben "ora et labora" gibtâs schon einiges zusaetzlich.
2.2 Die Arbeit
Die gesamte Arbeit ist orientiert am Gaestebtrieb, was bedeutet, dass alle Mitglieder und Freiwillige in und fuer das Haus arbeiten. Insgesamt wird unterteilt in Maenner- und Frauenarbeit.
Die Maennerarbeit besteht vor allen Dingen aus Handwerklichem. Je nach Jahreszeit wird Holz aufgestapelt, werdern Zimmer renoviert, kleine und auch groessere Arbeiten im und am Haus verrichtet.
Die Frauen arbeiten groessten Teils alleine. Sie putzen, kochen, richten Hotelzimmer her, sie waschen, buegeln, organisieren aber auch vile, wie z.B. die Zimmerbelegung, Terminplanung etc.
Alle "Compagnions", das heisst, alle Personen die immer in der Arche wohnen, haben selbstverstaendlich ihre fixen Aufgaben und Arbeitsbereiche, die alle drei Jahre neu verteilt werden. Sie teilen sich ihre Zeit selbst ein, um die Arbeit mit der Familie und dem Privatleben vereinbaren zu koennen.
Die "Stagieres", wie ich, haben eine Verantwortliche (fuer die Frauen) und einen Verantwortlichen (fuer die Maenner), die ihnen jeden Morgen die Aufgaben fuer den Tag sagt.
Bis jetzt bin ich die Verantwortlich fuer die Sanitaeranlagen im vierten Stock (!!) und bis vor kurzem war ich mit der Arbeit hier nicht wirklich zufrieden, um genauer zu sein sehr sehr unzufrieden. Anfangs war es kein Problem, zu putzen und viel "Kleinscheiss" zu machen, ich konnte mich ja nicht besonders gut artikulieren, noch irgendwelche anspruchsvolleren Aufgaben uebernehmen. Jetzt jedoch bin ich schon ueber ein halbes Jahr hierr, und es war wirklich an der Zeit, dass sich was aendert! Das staendige Putzen und Wischen, Saugen und Kehren, wie mich das genervt hat.....
In der Gruppe der "long- stage" (das sind alle, die ein Jahr hier in der Arche verbringen, insg. Sind wir fuenf, begleitet von einem Ehepaar) haben wir das Problem der Arbeit thematisiert.
Nur war es eben nicht einfach eine Loesung zu finden.
Die Maenner- stagieres sind immer mindestens Fuenf, das heisst, sie koennen im Team arbeiten, sich abwechseln, so dass die Arbeit nicht zu eintoenig wird. Wir Maedels sind im Moment nur zu zwei, die Marie und ich, und wir haben nicht viel Spielraum- die Arbeit muss eben gemacht werden. Mein Vorschlag, die Arbeiten insgesamt zu vermischen, das heisst, die Jungs putzen und wir stapeln auch mal Holz auf hat sich als zu kompliziert erwiesen, weil dadurch ein erheblich groesserer Organisationsaufwand entsteht.
Trotzdem haben wir jetzt, nach ewigen Diskussionen eine Loesung gefunden, zumindest fuer mich. Ob es laengerfristig in dieser Weise durchfuerbar ist, weiss ich nicht.
Ich arbeite ca. 2 mal die Woche im Garten, das heisst Unkraut jaehten, Salat pflanzen etc. Im Sommer dann wird ich Erdbeeren ernten, Blumen pfluecken und wunderschoen braun werden....! Jeden Dienstag pass ich auf einen kleinen mexikanischen Jungen auf, dessen Eltern hier leben. Das ist zwar schon relativ anstrengend, aber macht auch Spass, weil er einfach so so suess ist...ansonsten bereit ich oefters das Fruehstueck vor, jeden Montag koche ich, ich putze meine Klos, bereite die Zimmer her und alles ist gut so.
Ach ja, ausserdem hab ich, unter Anleitung das Kerzenatelier im Keller neu eroeffnet. Da mach ich immer wenn ich Zeit hab Kerzen, um diese dann in dem hauseigenen "Klosterladen" zu verkaufen. Das ist meine Lieblingsarbeit, obwohls so sehr kalt ist in meinem Atelier. Das schoene ist, das ich vorher nie weiss, wie das Resultat aussehen wird (weil ich ja auch kein Profi bin), und am naechsten Tag die Ueberraschung, wow...
Im Grossen und Ganzen, was ich bis jetzt gelernt hab, sind kleine Tips und Tricks rund um Haus und Garten, natuerlich auch, dass die Arbeit nicht immer Spass machen kann (hoho, welche Erkenntnis), aber noch wichtiger, damit umzugehen, bzw. Veraenderungen zu erzielen.
Jetzt im Moment bin ich doch sehr zufrieden mit meinen Aufgaben. Doch, ja.
Im Sommer, das heisst in den Monaten Juli und August wird sich jedoch die Arbeit aller hier vor allem auf den Gaestebetrieb ausrichten. Viel kochen, viel putzen und vorbereiten. Aber sobald die Sonne scheint...!
2.2 Der Glaube, die Spiritualitaet
Fuer die Archegemeinschaft hier spielt der Glaube, besser gesagt die Auseinandersetzung mit sich und Gott im Alltag eine grosse Rolle. Vom katholisch gepraegten Gottesdienst jeden Morgen, bis zum nicht- konfessionellen Gebet am Abend, ist der ganze Tag umrundet von einer Besinnung auf sich und Gott. In Anlehnung an Gandhi, der das Gebet als Schluessel, zum Oeffnen des Tages am Morgen und zum Schliessen am Abend sieht, wird auf diese Einheiten auch grossen Wert gelegt.
Diese Auseinandersetzung mit dem Glauben bedeutet nicht, dass alle immer Beten, oder alles ganz streng und ernst ist. Ganz im Gegenteil. Das Leben wird hier froehlich gelebt, mit jedoch immer der Bereitschaft, auf sich und die anderen einzugehen und tiefer gehende Gedanken zuzulassen.
Alle grossen und kleinen kirchlichen Feste werden mit grossen Gottesdiensten gefeiert, gefolgt von festlichem Essen, Tanz.... Fuer mich war das alles etwas fremd, weil ich schon gar nicht mit den Traditionen des katholischen Glaubens vertraut bin.
Ich dachte mir, es wuerde vielleicht ein bisschen zu viel, staendiges Beten und Singen.
Es ist aber ganz und gar nicht so. Es ist auf keine Art und Weise verpflichtend oder aufdringlich, geschweige denn bekehrend.
Die Menschen hier freuen sich, wenn man mit macht, bieten eine Teilnahme an.
Ich persoenlich sehe in diesen Zeiten des Gebets, eine Moeglichkeit, ein gemeinschftliches Gefuehl entstehen zu lassen, bewusst Zeit miteinander zu verbringen, sich ueber sich und seine Mitmenschen Gedanken machen zu koennen und das leben zu koennen, was im alltaeglichen Stress leicht vergessen wird. Es ist kurz gesagt eine Moeglichkeit, eine gewisse intime Zeit mit der Communautè zu teilen und auch sich selbst mitzuteilen.
Der Glaube nimmt also hier in der Arche einen nicht zu kleinen Teil des taeglichen Lebens ein. Fuer mich ist es interessant, Menschen kennen zu lernen, die sich bewusst Platz fuer diesen ihren Glauben geschaffen haben, ihn bewusst leben, ihn bewusst bezweifeln und dann wieder glauben, auf ihre ganz eigenen Art und Weise.
Auch wenn ich persoenlich mich nicht als wirklich glaeubig, im Sinne einer Kirche empfinde, gibt mir der Kontakt mit den Menschen hier wichtige Denkanstoesse, die Moeglichkeit, meine eigene Auffassung zu entwickeln, die Dinge mit weiterem Blick und eigenen Augen zu sehen.
2.3 Die Feste
Die Feste in der Arche sind Feste, wie ich sie noch nie erlebt habe. Die Stimmung ist festlich, feierlich, besonders. Alle machen sich schoen, bereiten alles zusammen bis ins kleinste Detail vor, und kosten den Abend bis ins letzte zusammen aus.
Anlaesse dafuer sind christliche Feste wie Weihnacheten, Ostern, oder die Heiligen Drei Koenige aber auch der Unsinnige Donnerstag, Geburtstage, Abschiede, Hochzeitstage oder Samstage. Es gibt ein Fest fuer die Frauen (die Maenner bereiten alles vor), und umgekehrt, es gibt immer, aber wirklich immer einen Grund zu feiern.
Wenn in der Arche gefeiert wird, ist nix wie normal. Alle sind wie veraendert, aufgeregt, man lernt sich von einer anderen, persoenlicheren Seite kennen, und das ist so sehr wichtig....! Das Alltaegliche wird vergessen, die Routine wird aufgebrochen und alles ist wunderbar.
Das Besondere an den Festen ist, dass wirklich die ganze Gemeinschaft feiert. Von den ganz Kleinen, die mit ihren Papas tanzen, bis hin zu den Omis, die ihre Enkelkinder bewundern. Hauptsaechlich wird getanzt, es gibt Sketche, Einlagen, man singt und trinkt sogar....und, von wegen einfacher Lebensstil: das Essen, heieiei! Internationale Spezialitaeten, wirklich mit Liebe und im Detail zubereitet, vegetarisch, aber das merkt man kaum.
Die Feste stellen also in dem Gemeinschaftsleben einen wirklich sehr wichtigen Teil dar, ohne diesen die alltaegliche Begenung und eventuelle Konfrontation um einiges schwerer zu ertragen waere.
3. Ich hier!
Nachdem ich ja im Sommer schon eine Woche hier in Saint Antoine war, um mir den Platz anzuschauen, an dem ich fuer ein Jahr zu leben gedacht habe, war ich mir bei meiner Abreise gar nicht mehr so sicher, ob ich denn da wirklich fuer ein ganzes Jahr hinwollte.
Es wirkte schon sehr ruhig, und sehr franzoesisch.
Abgesehen davon, dass ich nichts, wirklich gar nichts verstand, war einfach alles sehr ungewohnt, neu, zu gross fuer mich....
Drei Tage vor meiner Abreise anfang Oktober bekam ich so Bauchweh, und Zweifel und dachte mir: das schaffst du nie; Und je optimistischer und sicherer die Zukunftsplaene aller anderen um mich herum wurden, umso unsicherer und vor allem negativer sah ich die meinen an. Im Gedanken an dieses riesen grosse alte Kloster, in diesem mini kleinen Dorf, das ich mir ja leider selbst ausgesaucht hatte......
Aber: alles halb so schlimm!!!
3.1 Die Sprache
Natuerlich war die Sprache schon eine gewaltige Herausforderung! Nachdem ich in der Schule nie franzoesisch gelernt hatte und das einzige Franzoesisch sich auf "Oui", "No", und "Bon Apetit" beschraenkte, kam ich hier erstmal mit Haenden und Fuessen, meinem mangelhaften Spanisch und deren noch mangelhafterem Englisch an. Ich kam zwar von Anfang an einigermassen zurecht, hatte jedoch nicht die Moeglichkeit, irgendwelchen Beziehungen aufzubauen, geschweige denn ein bisschen ich zu sein.
Gluecklicherweise war von Anfang an Marie da. Auch sie macht ein "long-stage", und hat eine deutsche Oma, von der sie deutsch gelernt hat. Wir sprachen also langsam und mangelhaft, aber wir sprachen, und es hat mir so gut getan, jemenden zu haben, an den ich alle meine Fragen stellen konnte, mit dem ich mich beschaeftigen und unterhalten konnte.
Sie erklaerte mir den Ablauf des Lebens hier, die Arbeit, alle moeglichen Geschichten ueber alle moeglichen Leute. Und eigentlich seit Anfang an sind wir zwei Freundinnen hier. Da hab ich Glueck!!
Obwohl sich es mit ihr, so wie mit vielen anderen Menschen, die hier fuer einige Zeit Zuflucht suchen, nicht immer sehr einfach gestaltet, aber dazu spaeter.
Ausser Marie hat sich Anne, eine pensionierte Deutschlehrerin und Freundin der Communauté dazu bereit erklaert, mir einmal woechentlich Stunden zu geben. Mit ihr hab ich sehr schnell gelernt, und konnte zudem meine Fragen, Eindruecke und Problemchen auf deutsch besprechen.
Zu einem gewissen Zeitpunkt hatâs klick gemacht, und nach zwei, zwei einhalb Monaten sprach ich. Vorbei die Zeit, in der "Oui Oui" heisst: "Haeh? Ich kapier ueberhaupt nix!!!", vorbei die Zeit in der ich mich so eingeschraenkt, so uninteressant fuehlte, so dass ich teilweise wirklich frustriert war....
Mittlerweile sprech ich recht gut, sogar schon Konjunktiv (ho ho). Die Leute hier sagen, dass ich wirklich schnell gelernt haette, und ob ich sprachlich talentiert waere. Ich sag nee, eigentlich nicht so sehr, aber wennâs sein muss, dann muss es halt sein, und ihr kenn mich ja, schweigen war noch nie meine grosse Staerke.
Ausserdem machtâs wirklich Spass, jeden Tag zu merken: Wow, das hast du gesagt? Vor einer Woche wusstes du noch nicht mal, was das heisst--- das motiviert!!
Trotzdem sprech ich natuerlich nicht perfekt franzoesisch. Ich konnte ja gar nichts vorher, und vor allem mein Vokabular ist nicht das Feinste, wie ich festgestellt habe.
Es ist jedoch genug, um Freundschaften zu schliesen, um ICH zu sein, sogar schon ein paar Witzchen zu reissen und eben intensivere Beziehungen aufzubauen, was mir vorher schon sehr gefehlt hat!
3.2 Die Integration
Die Integration in der Arche fuer mich, stellte sich schon nicht ganz leicht dar. Dafuer gibt es einige Gruende:
- die Sprachbarriere und der dementsprechend mangelnde Austausch
- der Altersunterschied zwischen den Mitgliedern der Arche und mir; sie koennten fast alle meine Eltern sein, und haben Kinder in meinem Alter. Dementsprechend haben sie auch andere Beduerfnisse, eine andere Art der Freizeitgestaltung etc.
- der Mangel von Gleichaltrigen, da die Jugendlichen "des Hauses" waehrend der Woche studieren, oder in die Schule gehen, also nicht verfuegbar sind.
- die "Nischensuche", d.h. die Suche nach meinem individuellen Platz in der Communauté
- die stagiere-/Familien- Struktur, d.h. die "Compagnions" verbringen so viel Zeit wie moeglich in und mit ihren Familien. Die Freiwilligen, Alleinstehenden haben in dieser Zeit nimanden, bzw sich selbst. Fuer mich war es anfangs sehr ungewohnt, so viel Zeit mit mir selbst zu verbringen. Mittlerweile hab ich mich sehr gut daran gewohnt, und brauch diese Zeit in diesem Rhythmus hier auch.
- der Alltag des staendigen Kommen und Gehens von Personen. Manche bleiben Tage, Wochen oder eben Monate. Fuer die Menschen, die immer hier wohnen macht es dieser staendige Wechsel unmoeglich, sich immer wieder voll und ganz Fremden zu oeffnen. Sie sind zwar hoeflich, nehmen die Personen auf, halten aber gleichzeitig die noetige Distanz, um sich selbst zu schuetzen
Trotz all diesen Schwierigkeiten, die ich hier erfahren habe, ist jedoch sicher, dass sich alle Mitglieder der Lebensgemeinschaft auf ihre Art und Weise wirklich bemuehen, die Neuankoemmlinge aufzunehmen und schnellstmoeglichst zu integrieren.
Von Anfang an zum Beispiel war ich Teil einer Komission, die sich woechentlich mit Themen des "vie communautaire" beschaeftigt, was die Festlegung von Daten und Terminen, so wie auch die Vorbereitungen fuer gelegentliche Feste etc.einbezieht. Auch wenn ich nicht sofoert wirklich was zu den besprochenen Themen beitragen konnte, weil mir die ueblichen Ablaeufe, sowie natuerlich die Worte unbekannt waren, so war mir zumindest eine Moeglichkeit gegeben, mich mit in die Gemeinschaft einzubringen.
Auch der immer gleichstrukturierte Ablauf des Tages hat mir sehr dabei geholfen, hier in meinem neuen zu Hause meinen eigenen Rhythmus zu finden, und gewisse Gewohnheiten zu entwickeln, die entscheidend zur Integration in diesem Leben beitragen.
Alles in Allem fuehlte ich mich nach kurzer Zeit in meinem anderen Leben hier recht wohl, trotz der Sprachbarriere und der fehlenden engen Kontakten.
Schwieriger war es fuer mich, mit den anderen Jugendlichen, also den Kindern der Mitglieder der Arche Kontakte zu schliessen. Es gibt einen sogenannten "Club", in dem sich alle am Wochenende treffen. Die Marie hat mich dorthin mitgenommen. Es ist eine kleines Zimmer, im Keller, zu dem man mit einer Leiter hochsteigen muss, eigentlich eher wie so ein Loch, aber es hat Atmosphaere und ist wirklich ein guter Platz, an dem gespielt, getrunken, geredet und gefeiert wird. (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge!)
Das Problem war nur, dass ich komischerweise eine Schuechternheit entwickelt habe, die ich bis dahin von mir gar nicht gekannt hatte. Erst nach drei Monaten hab ich mich getraut, ein klitzekleines bisschen mitzureden, obwohl ichâs ja eigentlich schon konnte.
Ich hab mich gar nicht wohl, irgendwie uninteressant gefuehlt. Ich fand die anderen unfreundlich, nicht besonders gastfreundlich und irgendwie arrogant.
Wenn ich jetzt so darueber nachdenke, versteh ich das Verhalten, oder bessergesagt die Situation am Anfang viel viel besser. Denn auch fuer die "Kinder" hier, gibt es einfach unglaublich viele Menschen, Gesichter und Gefuehle, die kommen und gehen. Sie koennen nicht auf jeden mit offenen Armen zugehen, das kostet zu viel Energie.
Ausserdem haben sie hier ihr festes Leben, ihre Familien, ihre Freunde. Sie haben nicht unbedingt das Beduerfniss (im Gegensatz zu mir), ihr Freundes- Netzwerk aufzubauen, bzw. zu erweitern, das besteht schon.
Doch wie ich bemerkt habe, brauchen die Freundschaften mit den Jugendlichen hier, so wie alles hier einfach die entsprechende Zeit. Nach anfaenglicher Zeit des Beschnupperns, sind jetzt, vor allem die Aelteren "Jugendlichen" wirklich meine Freunde. Wir sehen uns sehr oft, unterhalten uns, machen Bloedsinn, unternehmen viel zusammen. Das obligatorische Fussball am Wochendende, Crèpe-Abende, Spieleabende, SturmfreiPartys (das vorwiegend bei mir, ha ha) etc.
Wir verbringen zusammen Zeit in Grenoble, planen, ans Meer zu fahren und alles ist wirklich wunderbar. Vor allem mit der Bindu, einem aus Indien kommenden Maedel, deren Eltern eine Toepferei im Dorf betreiben, und die schon zeitlebens eine Freundin von den Jungs aus der Communauté ist, versteh ich mich besonders gut. Wir ratschen ewig lang, bei Tee und Kerzen, und es ist wunderschoen mit ihr. Sie ist wirklich wirklich ne richtig gute Freundin. Am liebsten wuerd ich sie mit nach Hause nehmen, so dass ich sie nie niemals vergess.... Hach, so wie eigentlich alle hier.
Denn selbst, wenn ich mich nicht mit allen wirklich intensiv ausgetauscht hab, auch wenn ich nicht mit allen tiefere Bindungen entwickelt habe, spuere ich eigentlich immer ein Interesse, eine gewisse Freundschaft und Sorge um- und fuereinander, die eben entsteht, wenn man schon ueber ein halbes Jahr zusammen wohnt.
Auch mit vielen von den Erwachsenen haben sich mittlerweile engere Beziehungen entwickelt. Ich bin oefters mal zum Café oder Essen eingeladen, weiss mehr ueber die Personen, ueber ihre Geschichte, ihre Herkunft.
Vor allem in Raymond und Asha, dem Ehepaar, das die "long-stage"-Gruppe betreut, hab ich ein tiefes Vertrauen, kann mich sehr leicht oeffnen und weiss, dass sie interessiert an mir und meinem Leben hier und in Deutschland und im Allgemeinen sind.
In letzter Zeit spuer ich immer oefter, dass ich gemocht werde: Ein nettes kleines Wort hier, ein Witzchen, oder eine kleine Aufmerksamkeit da.
Selbst alle , natuerlich nervtoetenden, besserwissenden und auch leicht bevormundenden Kommentare ueber und zu meinem staendigen Husten, sind im Prinzip kleine Zeichen, dass ich jetzt ein Teil von ihnen bin, in ihnen bin, und dass sie sich sorgen--- das tut gut!!
Fuers erste warâs das von mir, nach langem Warten, konnte ich euch einen kleinen Einblick in mein Leben hier in Frankreich geben. Ich versuch, moeglichst bald, eine "Fortsetzung" zu schreiben. Ich denk sehr oft an euch alle, und danke euch so so sehr, dass ihr mir dieses Traumhafte Jahr hier ermoeglicht!!!
Also, bis bald, dicke Kuesse, vergesst mich nicht, und kommt mich mal besuchen.....!!
Alles Liebe von eurer Karin.