Erfahrungsbericht Großbritannien - UK
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- Großbritannien - UK
- Träger
- EIRENE International
- Freiwillige/r
- anonym
Eco Seeds
Rundbrief - März 2005
Am 25.01.05 war Halbzeit meines Freiwilligendienstes hier in Strangford, Nordirland. Ich konnte es kaum glauben wie schnell die Zeit vergeht. Rueckblickend kann ich sagen, dass ich jede Minute genossen habe. An dieser Stelle moechte ich nochmals allen danken, die mich unterstuetzt haben, die mich mit Briefen auf dem laufenden halten und die mich immer wieder bestätigen. Ausserdem ist mir aufgefallen, dass ich noch nie so viel Zeit an der frischen Luft und in Gummistiefel verbracht habeâ¦
Zur Zeit ist Winter und eigentlich sollte man meinen, dass es um diese Jahreszeit nicht viel zu tun gibt in einer Gaertnerei. Ueber Mangel an Arbeit kann ich jedoch nicht klagen.
Zu Beginn des Jahres legten Haritz und ich einen Endspurt im Saehen hin und Adrien und Andreia haben in Rekordzeit die verbleibenden Samen gesaeubert.
Das Fofanny-Projekt (Unteriridische Trinkwasseraufbereitungsanlage in den Mourne Mountains) stand im Januar im Vordergrund. Nachdem wir letztes Jahr im November Heidekrautsamen in den Mourne Mountains gesammelt haben, ging es nun daran 5000 Setzlinge direkt von den Zweigen zu ziehen. Dazu waren wir zweimal in den Mournes um Heidekraut zu schneiden. Das anschliessende Zuschneiden, Einkerben und Stecken in die Setzschalen war Fingerspitzenarbeit und sehr zeitintensiv. Nach einer Woche Arbeit in unserer Kueche war im Gewaechshaus ein Miniaturwald entstanden. Nun spruehen wir jeden Tag unsere kleinen Zoeglinge mit Wasser. Vor ein paar Tagen hat Haritz die ersten Wurzeln entdeckt.
Auch das Unkrautjaeten spielte eine wichtige Rolle. Wochenlang haben wir in unseren Testbeeten und auf dem Feld mit kriechender Butterblume, Loewenzahn, Distel, Ampfer, Klee u.a.gekaempft. Unsere vielen verschiedenen intelligenten Werkzeuge waren grosse Hilfe dabei. Eine kleine Abordnung von uns hat einen Tag in Downpatrick verbracht um dort Stadtgaertnern zu zeigen, dass man auch prima ohne Pestizide Unkraut im Griff bekommen kann.
Viele Reparatur- und Unterhaltungsarbeiten sind angefallen. Zusammen mit Susana habe ich alle moeglichen Maschinen auseinandergebaut und gestrichen, sowie einige Zaeune und Werkzeuge.
Zur Zeit befreien wir gerade die Maschinerie fuer den Traktor von Rost und bereiten sie zum Streichen vor.
In unserem Buero waren wir mit Pinsel und Farbe fleissig. Andreia und ich haben es neu gestrichen und zusammen mit Jacko wieder eingerichtet. Kieran, unser Mann fuer Finanzen, hat das so angeordnet. Er wird Eco Seeds bald verlassen und moechte es vorher noch mal so richtig auf Vordermann bringen.
Verlassen hat uns auch Adrien aus Frankreich, dessen Freiwilligendienst im Januar zu Ende ging. Fuer ihn kam Christina aus Italien. Drei Maedels sind wir nun bei Eco Seeds und Haritz ist manchmal ganz schoen gestresst. Susana, die nur fuer drei Monate bei uns war, ist im Februar auch nach hause gegangen.
Als Freiwillige kann man so viele neue Freundschaften schliessen und muss aber oft auch wieder "Tschuess" sagen.. Es ist schoen und gleichzeitig traurig. Doch gerade fuer diese Erfahrung bin ich auch dankbar.
Einen Tag habe ich bei "Tools for Solidarity" in Downpatrick mitgearbeitet. Dort habe ich selbststaendig eine Klemptnerzange auseinandergebaut, geputzt und wieder zusammengebaut. Einen Handbohrer habe ich angefangen. Anschliessend war ich so begeistert, dass meine Eco Seeds Kollegen schon Angst hatten ich werde das Projekt wechseln.
Das Wetter war gnaedig mit uns in den letzten Wochen. Nach den schweren Stuermen, die zum Glueck bei Eco Seeds und auch an unserem Haus nur geringe Schaeden verursachten, war es weitgehend sonnig, dafuer aber windig und kalt. Trotzdem muss ich endlich einmal den Befuerchtungen ich wuerde erfrieren ein Ende setzen. Es ist hier viel milder als in Deutschland, d.h. die Temperaturen sind z.Zt. im Plusbereich. Und Schnee und Eis und Kaelte kenne ich nur aus Berichten aus Deutschland und dem Kontinent.
Es ist genau das richtige Wetter um "Groundcover" (schwarze Plastikplanen) zu legen. Letzte Woche haben Haritz und ich also damit verbracht, riesige Flaechen mit Groundcover abzudecken und dieses mit grossen Naegeln und Spatenstichen zu befestigen.
So arbeite ich hier vor mich hin und habe auch in meiner Freizeit keine Langeweile. Von Schals stricken bin ich jetzt auf Socken umgestiegen und von Brot backen auf Nussschnecken.
Mein Versuch die nordirische Jugend bei Kalligraphiestunden an der Kunstschule in Dowpatrick etwas besser kennenzulernen ist leider nicht ganz geglueckt. Dort treffe ich nun woechentlich Frauen zwichen 30 und 60, die sich alle liebevoll um mich kuemmern⦠Ich habe viel Spass dabei.
Trotzdem ist es schade, dass ich nach mehr als einem halben Jahr kaum Gleichaltrige von hier kennengelernt habe. Ich kenne viele viele Leute, aber die meisten sind auch Freiwillige oder um einiges aelter als ich. Die Menschen brauchen hier Zeit, um sich an Fremde zu gewoehnen wird mir oft erklaert. Ausser small talk bin ich bis jetzt der nordirischen Jugend nicht naeher gekommen. Noch gebe ich jedoch nicht aufâ¦
Gelebter Konflikt in Belfast.
An einem Wochenende in Belfast habe ich den Zustaendigen fuer die EVS (europaeischer Freiwilligendienst) Freiwilligen in Nordirland getroffen. Er hat uns (Tools und Eco Seeds Freiwillige) eingeladen ihn auf einen Talk zu begleiten. Als das Taxi uns in die hintersten Nebenstrassen der Falls Road ( Republikanische / Katholische Brennpunktstrasse) brachte war ich sehr erstaunt, da ich von den anderen wusste, dass Peter frueher einmal fuer die UDA (Ulster Defence Army, loyalistische Paramilitaers) gearbeitet hat. An unserem Ziel angekommen, trafen wir auf eine Gruppe Jugendlicher beider Konfliktseiten und auf Gerald, ein ehemaliges Mitglied der IRA (Irish Republican Army) bzw. INLA (Irish National Liberation Army).
Peter und Gerald haben dann ueber ihre Jugend, ihren Weg in die Gewalt und darueber, was ihr Leben aenderte gesprochen. Religion war nie ihre Motivation gewesen, viel eher haben sie von Heldentum getraeumt. Tod spielte fuer sie keine Rolle. Ich war schon etwas schokiert, wie sie von Bomben, Morden und Gefaengnisleben erzaehlt haben und dabei kaum Emotionen zeigten. Das hat auch damit zu tun, dass sie es beide schon so oft erzaehlt haben. Frueher gab es keinen neutralen Citycenter in Belfast. Die Apartheit bezog sich nicht hauptsaechlich auf die Wohnungssituation, wie heute, sondern auf das gesamte Leben. Man hat damals sein Viertel kaum verlassen und wusste ueber die anderen nur vom Hoeren-Sagen Bescheid.
Als ich mich in der Pause etwas mit ihnen unterhalten habe, erzaehlten sie mir, dass sie beide sehr gerne im Schwarzwald wandern und schwaermten vom Feldberg, Titisee, Stuttgart und Offenburg. Wenn man sie so trifft, dann kann man sich ihre Vergangenheit nicht vorstellen.
Doch ueber den Konflikt moechte ich gerne in einem eigenen Bericht mehr schreiben.
Urlaubsgruesse
Ende Februar hatte ich Besuch von Sabrina und Markus. Wir haben einige schoene Tage an der Westkueste verbracht. Von dem kleinen Doerfchen Doolin, zu den Cliffs of Moher, ueber Galway und Sligo habe ich so einiges von Irland gesehen. Anschliessend war ich schon ein bisschen stolz ihnen Eco Seeds, Strangford und Umgebung zeigen zu duerfen. In Belfast dann habe ich mich zum ersten mal als Tourist verhalten und gemeinsam mit den beiden die City Hall, St. Anne`s Cathedral und den botanischen Garten angeschaut.
Das wars aus Nordirland. Ich wuensche einen bluehenden Fruehling und schicke ein paar Sonnenstrahlen nach Deutschland.
Viele herzliche Gruesse,
Anne-Lena Wahl
Strangford, 05.03.2005