Erfahrungsbericht Niederlande

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Land
Niederlande
Träger
EIRENE International 
Freiwillige/r
Betram Flesch

Kerk en Vrede

Rundbrief - September 2007



Ausreisekurs und Dienstbeginn


Begonnen hat mein Dienst bereits in Deutschland mit einem zweiwöchigen Vorbereitungsseminar meiner Trägerorganisation EIRENE Internationaler Christlicher Friedensdienst e.V. Auf diesem Seminar lernte ich auch weitere Freiwillige kennen, die ebenso wie ich kurz vor ihrer Ausreise standen. Gemeinsam hatten wir die Gelegenheit, über die vor uns liegende Zeit, unsere Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche zu reflektieren sowie uns mit Hilfe von Mitarbeitern und ehemaligen Freiwilligen von EIRENE gezielt auf unsere Zeit im Ausland vorzubereiten. Auf dem Programm standen unter Anderem interkulturelle Schwierigkeiten in unserem Projektalltag, kulturelle Unterschiede allgemein sowie alle möglichen rechtlichen und organisatorischen Fragen. Diese zwei Wochen waren für mich selbst eine sehr angenehme und gute Zeit und ich freue mich bereits auf das Zwischenseminar in Nordirland, auf dem ich die meisten der anderen Freiwilligen wieder sehen werde, um mit ihnen über unsere bisherigen Erfahrungen in unseren jeweiligen Projekten zu sprechen.

Umzug und die niederländische Sprache


Nur wenige Tage nach Ende des Vorbereitungsseminars stand auch schon mein Umzug nach Utrecht an, wo bald mein Sprachkurs beginnen sollte. Da die christliche Wohngemeinschaft, in der bisher alle meine Vorgängerinnen und Vorgänger gewohnt hatten, aufgelöst worden war, zog ich in ein kleines, sehr schön und ruhig gelegenes Zimmer in der Nähe des Zentrums. Es befindet sich direkt unter dem Dach eines typisch niederländischen Reihenhauses und macht gemeinsam mit der vorgelagerten, sehr kleinen Küche, den gesamten Dachboden aus. Die restlichen Etagen werden von meiner sehr netten Vermieterin, Marieke Barnard, genutzt. Direkt am Tag nach meinem Einzug begann auch schon mein Sprachkurs am James Boswell Instituut der Universiteit Utrecht. Gemeinsam mit 16 anderen Kursteilnehmerinnen und - teilnehmern aus Italien, Nicaragua, Iran, Hongkong, Polen, Kanada, den USA, Thailand, Kasachstan, Ungarn, der Ukraine und Deutschland erlernte ich die Grundlagen der niederländischen Sprache. Die folgenden drei Wochen waren eine sehr angenehme und entspannte Zeit. Vor allem der internationale Charakter des Kurses machte sie so interessant. Der Unterricht selbst war aber aufgrund der sehr großen Ähnlichkeit der niederländischen und deutschen Grammatik häufig eher unterfordernd.

Mein Projekt


Die Arbeit in meinem Projekt selbst hat erst vor etwa einem Monat so richtig begonnen. Ich arbeite für Kerk en Vrede, eine niederländische Friedensorganisation, und EIRENE Nederland, den niederländischen Zweig von EIRENE International, die sich gemeinsam mit vier anderen Friedensorganisationen ein großes Büro in Utrecht teilen, das den Namen Vredescentrum O’43 trägt. Kerk en Vrede analysiert die Ursachen und den Verlauf von Konflikten und Gewalt in den Niederlanden sowie in der gesamten Welt und macht durch Publikationen, Kampagnen und einzelne Projekte auf sie aufmerksam. Darüber hinaus zeigt Kerk en Vrede Alternativen zu Gewaltanwendung auf und setzt sich auch durch Demonstrationen und Lobbyarbeit für nachhaltigen Frieden ein. EIRENE Nederland sendet in enger Zusammenarbeit mit EIRENE International Niederländer ins Ausland, wo sie für ein Jahr oder länger als Freiwillige in Partnerprojekten mitarbeiten können. Weiterhin werden auch vereinzelt Kampagnen und Aktionen zu unterschiedlichen Themen wie Frieden und globale Gerechtigkeit organisiert. Da EIRENE Nederland ein sehr kleiner Zweig ist, bin ich momentan der einzige „feste“ EIRENE-Mitarbeiter. Alle anderen Vorstandsmitglieder, etc. engagieren sich allein auf ehrenamtlicher Basis und verfolgen einen anderen Beruf.

Meine Aufgaben


Doch wie sieht meine Arbeit nun eigentlich aus? Neben einigen administrativen Tätigkeiten und der Annahme des Telefons (häufig eine echte Herausforderung), mache ich auch viel Öffentlichkeitsarbeit (Gestalten von Flyern, Aktuellhalten der Homepage, etc.) und arbeite an den momentan aktuellen Projekten von Kerk en Vrede und EIRENE Nederland mit bzw. helfe sie zu organisieren. Ein Beispiel für ein solches Projekt ist die Kampagne „Vredesvlag vanuit elk stadhuis“ (Friedensfahne auf jedem Rathaus), die Kerk en Vrede vor dem Hintergrund des Internationalen Tages des Friedens am 21.September gestartet hat. Ziel der Aktion ist es, möglichst viele Gemeinden dazu zu bewegen, am 21.Septemer eine PACEFahne auf ihrem Rathaus zu hissen und so ein Zeichen für Frieden und Gewaltlosigkeit zu setzen. In diesem Zusammenhang ist auch das Foto entstanden, auf dem ich dem stellvertretenden Bürgermeister (nl. Wethouder) von Utrecht eine Friedensfahne überreiche.

Ein weiteres Projekt befasst sich mit dem niederländischen Engagement in Afghanistan: Anlässlich der bald anstehenden Entscheidung über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der niederländischen Armee hat Kerk en Vrede gemeinsam mit anderen Organisationen und zwei linksgerichteten Parteien eine Zeitung herausgegeben. Darin wenden sich die Beteiligten strikt gegen eine Verlängerung des Einsatzes, da er keinen Beitrag zu Frieden, Stabilität und Wiederaufbau leiste, sondern eben diesen Dingen im Weg stünde. Bei diesen beiden Projekten musste ich neben dem Versenden der Flaggen und Zeitungen auch bereits auf Veranstaltungen dafür werben und sie in Gesprächen und kleinen Präsentationen näher vorstellen. In Zukunft werde ich aber stärker in solche Aktionen involviert sein, wurden diese doch bereits vor meiner Ankunft in Utrecht gestartet.

Was für mich besonders interessant ist: Ich bin mittlerweile für die Zusammenarbeit mit der Stiftung „Islam en Dialoog“ verantwortlich, die schon seit längerem von Kerk en Vrede angestrebt wird. Ich soll den Kontakt zu dieser islamischen Vereinigung halten und mit ihren Mitgliedern gemeinsame Projekte andenken und umsetzen. Letzte Woche habe ich mich in diesem Zusammenhang zum ersten Mal mit einem Vertreter von Islam en Dialoog getroffen. Da die Stiftung momentan allerdings sehr mit einem Projekt rund um den Ramadan beschäftigt ist, wird eine erste gemeinsame Aktion noch etwas auf sich warten lassen.

Bei EIRENE bin ich momentan damit beschäftigt, einen Informationstag für Interessenten an einem einjährigen Friedens- und Entwicklungsdienst mit vorzubereiten und zu planen. Außerdem koordiniere ich (noch mit Hilfe zweier Vorstandmitglieds, später voraussichtlich aber alleine) die Herausgabe des neuen „Nieuwsbrief“ (Newsletters), für den ich auch bereits zwei kleinere Artikel schreiben soll. Auf Niederländisch natürlich. Vor allem für EIRENE Nederland werde ich in meinem Jahr hier viel Öffentlichkeitsarbeit betreiben, um die Organisation bekannter zu machen und mehr Freiwillige für ein Jahr im Ausland zu begeistern.

Eine weitere, recht anspruchsvolle Aufgabe von mir ist die Mitarbeit in der Youth- Working-Group von IFOR (International Fellowship of Reconciliation), einer internationalen Friedensorganisation, bei der Kerk en Vrede als niederländischer Zweig angeschlossen ist. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe ist es, ein dauerhaftes Jugendprogramm von IFOR aufzubauen, um eine bessere Einbindung der jungen Generation zu gewährleisten. Gedacht wird dabei vorwiegend an internationale Zusammenkünfte und Fortbildungen von jungen „Peacebuilders“, aber auch an die Etablierung einer Youthcouncil, einer Jugendvertretung, innerhalb der Hierarchie von IFOR. In diesem Zusammenhang war ich Ende Juli bereits auf einem Meeting in Alkmaar, wo sich neben dem ältesten Käsemarkt der Welt auch das internationale Büro von IFOR befindet. Dort traf sich zum ersten Mal auf die anderen Mitglieder der noch relativ neuen Gruppe. Das Meeting der Teilnehmer aus den USA, England, Kanada, der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland (ein Mitglied aus Marokko konnte leider nicht teilnehmen) wurde komplett auf Englisch abgehalten. Gesprochen wurde über unsere Strategie, die Finanzierung unserer Arbeit und unserer Projekte sowie die Verteilung von Verantwortung. Mittlerweile halten wir auch monatliche Online-Meetings ab. Seit dem letzten derartigen Treffen Anfang September bin ich Assistant-Convenor der Arbeitsgruppe, also so etwas wie der stellvertretende Vorsitzende.

Leben in Utrecht


In Utrecht habe ich mich einer Capoeira-Gruppe (brasilianische, sehr akrobatische Kampfsportart) angeschlossen. Es ist eine ziemlich interessante Sportart, über die man auch viele neue Leute kennen lernt. Allerdings bin ich momentan leider durch eine Verletzung am Handgelenk zu einer Trainingspause gezwungen. Darüber hinaus bin ich seit kurzem auch Mitglied des Ad Hoc Orchesters, in dem ich als Posaunist mitspielen kann. Eigentlich hatte ich mich einem der zwei Studentenorchestern in Utrecht anschließen wollen, was aber nicht möglich war, da sie momentan keine Stimme für Posaune hatten bzw. kein Platz für eine Posaune mehr frei war. Ich habe mich daraufhin kurzerhand dazu entschlossen, in den Chor des USKO (Utrechts Studenten Koor en Orkest) zu gehen, um auch noch ein bisschen die Verbindung zu dem in Utrecht reichlich vorhandenem Studentenleben zu schaffen. In beidem Ensembles fühle ich mich sehr wohl und es macht großen Spaß in ihnen mit zu singen bzw. zu spielen. Allerdings ist dadurch mein Terminkalender auch wieder etwas voller geworden, da beide Orchester neben den wöchentlichen Proben immer wieder Probewochenenden bzw. Probetage abhalten, sowie auch mehrere Konzerte geben. Utrecht selbst ist mit seinem alten Zentrum und den wunderschönen Grachten, dem lebendigen Studentenleben sowie dem internationalen Charakter jeder Zeit eine Reise wert. Ich fühle mich hier sehr wohl und freue mich auf die mir hier noch verbleibende Zeit. Was steht in den nächsten Monaten an? Demnächst wird erst einmal mein erstes Probewochenende mit dem USKO beginnen, Ende Oktober erwartet mich dann mein Zwischenseminar in Nordirland. Außerdem werde ich mir im November einige niederländische Städte ansehen, auch in Verbindung mit den Tagen der Offenen Tür, die viele Universitäten dann abhalten werden. Soweit die momentane Planung. Was sonst noch so passiert, erfahrt Ihr dann im nächsten Erlebnisbericht im Dezember.

Ich wünsche Euch einen schönen Herbst.
Hartelijke groeten en tot ziens!

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